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kund; Graf Benedetti, der französische Gesandte in Berlin, erhielt den Auftrag, kn peinlichen Empfindungen Ausdruck zu gebe», welche der Vorfall in Paris hervorgcrufen habe, Freiherr von Werther, der Botschafter des Norddeutschen Bundes am französischen Hof, wurde nach einer Unterredung mit Gramont und Ollivier veranlaßt, seine beabsichtigte Urlaubsreife über Bad Ems zu nehmen, um seinen Herrn von der in Paris herrschenden Stimmung in Kenntniß zu setzen. 3n Berlin bekam Benedetti die Antwort, daß die spanische Throncandidatur die preußische Regierung gar nichts angehe; einen ähnlichen Bescheid meldete Werther von Enis aus. Wenn bei der großen Erregung, womit gleich anfangs die Frage m den Pariser Hof- und Regierungskrcisen ausgenommen wurde, die Verhand- kung die feine diplomatische Grenzlinie durchbrach und einen gereizten Charakter voll Verdacht und Drohung gegen Preußen annahm; so mußte sich die Spannung »och steigern, als der Herzog von Gramont bei Gelegenheit einer Interpellation A dem gesetzgebenden Körper eine Antwort erthcilte, die allgemein als Kriegs-« vunisr kohung aufgefaßt wurde. „Wir glauben nicht", sagte er, „daß die Achtung vor dm Rechten eines Nachbarvolkes uns verpflichtet zu dulden, daß eine fremde Macht einen ihrer Prinzen auf den Thron Karl's V. setzt und dadurch zu unserem Rnchtheile das gegenwärtige Gleichgewicht der Kräfte Europas stören und die Ehre Frankreichs gefährden dürfte". Der Beifall, den die Mehrheit der Ver- smnmlung den feierlich ausgesprochenen Worten des Ministers zollte, steigerte die ^riegslust, von der auch bald die ganze Nation ergriffen ward. Die warnenden Stimmen der kleinen Oppositionspartei verhallten wirkungslos; desto lanter stießen Ke Journalisten in die Kriegsdrommete und verkündeten schon zum Voraus den sicheren Sieg. „Die Frage muß erweitert werden", hieß es im Moniteur vom 8. Juli, „das wenigste was uns heule befriedigen kann, wäre die Freiheit der süddeutschen Staaten, die Räumung der Festung Mainz, das Aufgeben jedes militärischen Einflusses jenseit des Maines und die Regulirung des Artikels 5 mit Dänemark". Man schien zu fürchten, es könnte noch zu einer Ausgleichung kommen. Und in der That war eine solche Ausgleichung im Gange. Wie unschick- AMchr lich und tactlos es auch erscheinen mußte, daß Graf Benedetti im Auftrage seiner Negierung nach Ems reiste, um den von seinen Räthen getrennten Monarchen Ehrend seiner Badccur mit Staatsgeschäften zu behelligen und ihn zu be- siimmen, dem Erbprinzen von Hohenzollern die Annahme der spanischen Krone su verbieten: König Wilhelm empfing den Botschafter mit seiner gewohnten Freundlichkeit und Leutseligkeit; und wenn er auch das angemuthete Verbot "ls ein ihm nicht geziemendes Eingreifen in die Angelegenheiten eines persönlich Abständigen Fürsten von sich wies, so vernahm er es doch gern, daß Leopold von Hohenzollern, im Gefühle der großen Verantwortlichkeit, die er Europa gegenüber auf sich laden würde, der spanischen Thronbewerbung freiwillig ent sagte und der Nation die Freiheit des Handelns zurückgab. Diese von dem