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956 v. Po» Errichtung des zweiten franz. KaiscrthumS rc. sich endlich legen. Man war deutscher Seit- so vorsichtig allen Streitfragen aur dein Wege gegangen, hatte sich so sehr bemüht, die „patriotischen Beklemmungen der großen Nation durch Schonung und Nachgiebigkeit zu beruhigen, hatte die politische Präponderanz, welche die Franzose» als ererbtes Recht, als Grundlage ihres nationalen „Prestige" ansahcn, unangefochten gelassen; sollte man dcnnjcf> nicht einige Friedensjahre als Lohn dieser Mäßigung davon tragen? So wenig dachte man in Preußen an eine Störung des Weltfriedens, daß König Wilheß" sich nach Ems ins Bad begab, daß Gras BiSmarck und die Generale von Ra»" und von Moltke die Sommermonate auf ihren Gütern zuzubriugcn sich E schicktcn, daß in der Kriegsorganisation und Bewaffnung Reformen in AngeÄ genommen wurden, zu deren Durchführung längere Zeit erforderlich war, das die feierliche Enthüllung des Denkmals Friedrich Wilhclm's III. auf den 3. August festgesetzt ward. Von den Anschlägen des kaiserlichen Hofes auf Gebiets' crwciterung im Norden, welche der französische Gesandte, Graf Benedetti, inge- Heimen Besprechungen mit dem norddeutschen Bundeskanzler wiederholt in A"' rcgung gebracht, war zu der Zeit noch nichts in die Oeffcntlichkcit gedrungen. Erst in der Folge trat cs durch Bismarck's Enthüllungen zu Tage, daß schon seit Jahren die französische Regierung dem preußischen Minister ein Bündniß von geschlagen habe, kraft dessen der Kaiser um den Preis von Belgien und LuM bürg den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Nordbund befördern wolle. Die Napoleonische Politik war fortwährend auf Vergrößerung des Reichs gerichtet der Kaiser wußte, wie sehr er dadurch der Eitelkeit und Selbstliebe der Nation huldigte, sein eigenes Ansehen erhöhte und befestigte und die Zukunft stü^ Dynastie sicherte. Dies schien ihm aber gerade jetzt um so nothwcndiger, als die Opposition stets an Boden gewann: bei Gelegenheit des Plebiscits waren über 50,000 verneinende Stimmen in der Armee und Marine zum Vorschein gc- kommen; gerichtliche Untersuchungen über Verschwörungen und Complotte hielte" das Volk in Unruhe; eine Mißernte stand vor der Thüre; im gesetzgebende" Körper sprach man von der Aufhebung des Verbannungsdecrets der Fanni" Orleans. Diese drohenden Alarmzeichcn konnten am besten durch einen natio- nalen Krieg niedergedrückt werden. Und wenn es gelang, die Rheingrenze noch einmal zu erobern, die jeder Franzose als das dem Vaterlande gebührende, W gewaltsam entrissene Recht ansieht, so war der Name Napoleon wieder so gefeiert wie in den Tagen des Oheims, so schwand die Opposition dahin wie ein Nebel- bild, so war Frankreich mit dem Bonapartismus für alle Zeiten verbunden. Das Wagniß war kühn, aber dem Kühnen steht das Glück zur Seite. D" FrÄikch Lcmd- und Seemacht war verstärkt, zu den zahlreichenLinicntruppen waren Neser- ven und mobile Nationalgardcn für den inneren Dienst herangebildet worden; die Arsenale waren gefüllt; die Chasscpot-Gcwehre hatten bei Mentana gegen die Freischaarcn Garibaldi's „Wunder gethan"; eine neue Mordwaffe, die leuse oder Kugelspritze, die wie eine Höllenmaschine fünf und zwanzig Kugel"