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V. Geschichte der Jahre 1865 bis 1870. 953 der vollen Autorität in allen kirchlichen und geistlichen Angelegenheiten, sondern auch die Ehrenrechte eines Souveräns, den Besitz des Leoninischen Stadtthcilcs auf der rechten Seite des Tiber sammt dein Baticau u. A. m. anbot; als er aber alle Ausgleichungsvorschläge entschieden von der Hand wies, wurde das Eebiet bis unter die Mauern der Hauptstadt besetzt. Von allen Seiten strömten römische Flüchtlinge und Verbannte herbei, um unter der Fahne Victor Emanuel s an dem Umstürze der geistlichen Zwingherrschaft mitzuwirkcn. Am 20. Sep tember schlugen die Italiener ihr Lager im Osten der Stadt vor der Porta Pia aus und bedrohten Rom im Falle eines Widerstandes mit der Beschießung. In der Stadt lagen etliche tausend Mann päpstlicher Truppen, größtenthcils Fremde aus allen Ländern und Erdthcilen, denen sich viele Freischaaren und Banditen aus den Abruzzen angcschlofscn hatten. Den Kern bildeten die Zuavcnbataillone, welche der Waffenminister, General Kanzler, organisirt und unter den Befehl des Obersten Charette aus der Vcndec gestellt hatte. Diese leisteten einige Gegen- wehr. Aber eine dreistündige Kanonade genügte, um Rom zur Capitulation zu bringen. Die päpstliche Armee wurde aufgelöst, die fremden Soldknechtc mußten die Halbinsel verlassen; eine provisorische Regierung besorgte die öffentlichen Geschäfte, bis die Vorbereitungen zur Volksabstimmung (Plebiscit) getroffen waren, durch welche, da die Mißvergnügten sich größtenthcils der Abstimmung enthielten, die Bewohner Roms und des gesammten ehemaligen Kirchenstaats sch saft einstimmig für den Anschluß an das Königreich Italien unter Victor Emanuel's Herrschaft aussprachen. Dies geschah am 3. October und schon am».s.v-ibr. 8. desselben Monats wurde die Annexion vollzogen. So ging in Erfüllung, was Garibaldi und seine Gesinnungsgenossen seit Jahren angestrebt. Aber der alte Feldherr hatte nicht einmal den Triumph der Mitwirkung; denn er stand als Freischaarenführer in Frankreich, einem republikanischen Idol nachjagend. 3ur Beruhigung der katholischen Welt, die über den kirchenschänderischen Frevel einen lauten Schrei ausstieß, erklärte die italienische Regierung, der Papst solle »ach wie vor mit der Würde eines Souveräns und mit voller Freiheit alle Rechte und Amtshandlungen des Kirchenoberhaupts ausüben. Aber der Bannstrahl, t. N°vb>. den Pius IX. über Victor Emanuel schleuderte, gab Zeuguiß von dem tiefen Grolle des heiligen Vaters. Auch das in der Folge von der florentiner Regierung mit Zustimmung der Deputirtenkammer erlassene Garantiegesctz, welches die Person des Papstes für heilig und unverletzlich erklärte, ihm den Rang und die Ghrenstellung eines Souveräns mit einem Jahreseinkommen von 3,225,000 Lire zuwies und der Kirche und ihren Lenkern so viele Rechte einräumte, wie in keinem uudern Lande, so daß Cavour's Programm: „freie Kirche im freien Staat", zur Wahrheit ward, vermochte den Zorn der klerikalen Partei nicht zu versöhnen. Auch sonst waren die Erfolge des kühnen Schrittes der Nnfehlbarkcitsverkün- Wirkung-» düng nicht eben sehr ermuthigender Art: die österreichische Regierung erklärte das mäisE-' Concordat für aufgehoben, weil der eine Kontrahent seinen Charakter völlig ge-'"^