Volltext Seite (XML)
tun" hielt und jetzt seinem alten Lehrer Döllinger den Fehdehandschuh hinwarf, und den, ritterlich inuthigen Bischof von Sirmium, Strohmayer, welcher es wagte, trotz der Präsidentcnschelle und unter dem allgemeinen Sturm der Lippen AM-,, und Füße loszugehen gegen einen Satz des Schemas über den Glauben, in welchem alle Gottlosigkeit in der Welt auf den Protestantismus zurückgeführt werden sollte. In der That ließ die Curie denn auch diese Beleidigung fallen, über nicht wegen der Rede des kroatischen Bischofs, sondern wegen eines Tcle- grammes von Bismarck, der mit Zurückziehung deS preußischen Gesandten drohte. Bald darauf wurde, während der genannte Bischof sich fern hielt, der übrige Theil des vom Papste vorgclegten Entwurfes über den katholischen Glauben, rr. Ap-u. allerdings vielfach modificirt und verändert, mit Stimmcneinhclligkeit ange nommen. Diese Schwachheit trug dazu bei, die Achtung vor der Opposition auf dem Concil wesentlich zu verringern. Es wurde demselben sofort mit Miß achtung der dringlichsten Abmahnungen, zu welchen sich die Opponenten jetzt ermannt hatten, der Entwurf zu einer dogmatischen Constitution übergeben, deren drei erste Kapitel den Primat des Papstes ganz in der Weise der isidorischen Fälschung darlegten, während ihm das vierte förmlich die Unfehlbarkeit zusprach. Zwei ganze Monate hindurch währten die Debatten, die sich besonders auf den es W-o - letztgenannten Punkt concentrirten. Aber so tapfer auch die hervorragendsten Wortführer der Opposition sprechen mochten: über der Versammlung lastete die Fieberhitze des römischen Sommers; nicht wenige Mitglieder unterlagen, und da der Papst fest entschlossen war, das Concil beisammen zu halten, bis cs seine Mission erfüllt habe, so kam es denn endlich zum Hauptschlag. Während in der ganzen ersten Hälfte des Jahres die Aufmerksamkeit der Welt fast ausschließlich auf Rom gewandt blieb und Döllinger von München und im selben Geiste Gratry von Paris aus sogar der Laienwelt lebhaftes In teresse an den theologischen Streitigkeiten, die im Vatican geführt wurden, abzu- gcwinncn wußten; zogen im Anfänge des Juli die schweren Gewitterwolken des deutsch-französischen Krieges am Horizonte Europa's auf, und fast unbeachtet von der Welt ist der Papst mit vierhunderteinundfünzig Stimmen für unfehlbarJuruno. erklärt worden; zweiundsechzig sagten Ja mit Vorbehalt (aä mnänm), achtund achtzig Nein, siebzig, darunter Antonelli, fehlten. Ehe cs zur feierlichen Verkün digung des neuen Dogma's kam, versuchte die Opposition noch einen letzten Tchritt. Sechs Bischöfe erschienen als Deputation im Vatican, Kctteler von Mainz warf sich zu Boden und flehte den heiligen Vater an, er möge durch einige Nachgiebigkeit der Kirche den Frieden und der katholischen Welt die schwer gefähr dete Einheit zurückgeben. Pius IX. war einen Augenblick erschüttert. Aber noch »m selben Abende stimmten der Erzbischof Manning von Westminster und der Bischof Senestrey von Regensburg ihn um. Als die Opposition das erfuhr, verließen ihre Mitglieder Rom, weil ihre „kindliche Pietät und Ehrfurcht" ihnen verbiete, in der öffentlichen Sitzung Nein (Xon xlaoet) zu sagen. So haben