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914 I). Bo» Errichtung des zweiten franz. Kaiserthums re. mittelst Venetiens den Waffenbund Frankreichs zu erkaufen, durch die Bundc-- treue Victor Elnanuel's und durch die Mäßigung und Zurückhaltung Napoleon'- vereitelt. Selbst die Freunde Oesterreichs, die nicht ganz von Leidenschaft ver blendet waren, wurden bedenklich über eine Politik, welche die Einmischung Frankreichs in die deutschen Angelegenheiten herbeizuführcn suchte und eine Provinz wcgwarf, von der man so oft behauptet hatte, daß sie zum Schicht Deutschlands nothwendig sei und daß ihre Hingebung einem „politischen Sellch mord" gleichkäme. Der Haß gegen Preußen überwog in den Wiener Hofkreisen jede andere Regung und Erwägung; die Anträge Bismarck's auf directe Unter handlungen mit Fernhaltung Napolcon's fanden keinen Anklang, so günstige Be dingungen er auch in Aussicht stellte. So hatten denn die Kriegsoperatiouw ihren Fortgang; doch forderte die Rücksicht auf Frankreich, daß man zu gleicher Zeit im preußischen Hauptquartier und in Wien mit den Abgesandten des Kaiser- über die Bedingungen verhandelte, unter denen ein Frieden aufgerichtct werden könnte, und daß sich in Italien der Krieg auf einige Streifzüge der Freiwilligen und auf Bcrathungen und Rüstungen beschränkte. B^.KSnig/ In Oesterreich fühlte man schmerzlich das große Nationalunglück, das durch Nn-Isburg. die Unfälle in Böhmen über das Reich hercingebrochen war. Als bekannt ward, daß die Preußen nach cinigen-Tagen der Ruhe auf die Eisenbahnlinie von Pardu bitz vorrücktcn, und ein Beobachtungscorps vor den Festungen Königgrätz und Josephstadt zurücklassend, die geschlagene Nordarmcc auf ihrem Rückzüge nach Olmütz verfolgten; daß die Garde-Landwehr-Division, welche aus Sachsen b,2uudem Haupthcer nachgezogen, schon am 8. Juli die Hauptstadt Prag ohne Schwertstreich in Besitz nahm; daß Gablenz mit einer Abthcilung des Heeres sich auf die Jestungslinien von Florisdorf an der Donau geworfen, um die Hauptstadt gegen einen plötzlichen Uebcrfall zu decken: da verbreitete sich Schrecken und Unruhe unter allen Ständen. In den Hofkreisen faßte man an fangs den Gedanken, eine allgemeine Volksbewaffnung hcrvorzurufcn. Ein s. Jun. kaiserliches Manifest „An meine Völker" forderte zur Ausdauer und zum Kampf auf Tod und Leben auf, empfahl Vertrauen in den Kaiser und in die nationale Kraft und versicherte, daß man nie in einen Friedensschluß willigen werde, durch welchen die Grundbedingungen der Machtstellung des Reichs erschüttert würden; aber bald erschrack man vor der Entfesselung der Volkskraft und lenk» wieder in die Bahnen regulärer Kriegführung ein. Die Vorgänge in Böhmen, wo die Beamten beim Anrücken der Preußen ihre Posten verließen und dadurch die Verwaltung in die größte Verwirrung brachten, wo die zum leidenschaft lichen Preußenhaß fanatisirte czcchische Bevölkerung sich zu Sccncn tückischer Grausamkeit Hinreißen ließ, mochten das Vorhaben eines bewaffneten Volks widerstandes bedenklich erscheinen lassen. Man begnügte sich zunächst, die Männer, welche die öffentliche Stimme als die Haupturheber des Unglücks be zeichnete, während dasselbe doch seinen Liefern Grund in deni inangelhaften Heer-