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V. Geschichte der Jahre 1865 bis 1 870. 891 Nation mit der Frage, wie der Friede erhallen werden könnte. Während Sachsen and Würtcmbcrg durch geheime Rüstungen ihr geringes Vertrauen auf eine Redliche Ausgleichung bewiesen und Baiern noch einmal den Weg der Vcrmit- lelung betrat, suchte mau aller Orten und Enden den Bvlkswillcn zum Aus druck zu bringe«. Und in der That gewann es eine Zeitlang den Anschein, als sollte das blutige Kricgsspicl vermieden oder verschoben werden. Oesterreich stellte die Absicht eines offensiven Auftretens gegen Preußen in Abrede: cs habe f^"' keine Kricgsvorbercitungcn gemacht, die geringfügigen Truppenbewegungen in Böhmen seien durch die Judencrawalle in einzelnen Gegenden hcrvorgcruscn worden. Allein es wurde constatirt, daß die Truppen meist nahe der preußischen Grenze in Gegenden gelegt waren, wo dergleichen Czceffe gar nicht stattgefunden hatten. Dennoch machte man in Berlin gläubige Miene. Preußen erwiedcrte die friedlichen Kundgebungen durch die Versicherung, daß auch ihm nichts ferner "pw liege als ein Angriffskrieg, und erklärte sich bereit, die zur Grenzvertheidigung >b «pw. erlassene Mobilisirungsordre zurückzunehmcn, wenn Oesterreich, welches mit den Rüstungen vorangegaugcn, auch mit der Abrüstung beginnen wolle. Das kai serliche Cabinet erklärte sich bereit dazu, sofern Preußen an dem nämlichen Tag e». «pw- "der doch am nächstfolgenden dasselbe thun werde, und als dieses damit einverstan den war, wurde der 25. April als der Anfangstermin der Abrüstungen festgesetzt. Aber ehe dieser Zeitpunkt eintraf, fand mau iu Wien, daß Venetien von Victor Emanuel bedroht sei, und beschloß daher in einer militärischen Berathung, dic^Apm. Abrüstung nur gegen Preußen eintreten zu lasten, die italienische Armee dagegen »u verstärken und auf den Kriegsfuß zu setzen. Oesterreich wollte, wie es schien, »ersuchen, Italien durch ernste Kriegsdrohungen zur Einstellung seiner erst be gonnenen Rüstungen und zu Bürgschaften des Friedens zu zwingen, um sodann mit denselben Truppcnkörperu, die cs in Italien aufgestellt hatte, Preußen zu nolhigen, sich i« den deutschen Fragen dem Ausspruch des Bundestags zu unter werfen. Würde sich Preußen diesem Ausspruche nicht fügen, so konnte Oester reich die Hülfe der Bundestruppen verlangen und erwarten. Auf die preußisch- Aienischen Verhandlungen mußte diese schwebende Lage störend cinwirken/Wenn Man in Preußen wünschte, daß Italien auch militärisch zum Kampfe gegen r'ven so mächtigen Feind wie Oesterreich vorbereitet sei, so mußte das Florcn- liver Cabinet zu eigener Sicherheit fordern, daß die Hecresmacht beider Staaten gleichzeitig kriegsbereit aufgestellt, die preußisch-italienische Allianz zu einem Eriegsbündniß verschärft würde. Dieser Umschlag in der österreichischen Ab- Wungspolitik mußte in Berlin Bedenken erregen; fühlte sich Preußen bedroht, lo war es einerlei, auf welcher Seite des Kaiserstaats die Truppenverstärkung skottfand. Eine entschuldigende Depesche des Wiener Cabinets war nicht ver-26. Bpm. wogend, die Besorgnisse zu zerstreuen, zumal da gleichzeitig der Vorschlag ge wacht wurde, „Preußen und Oesterreich möchten die durch den Wiener Frie- bensvertrag erworbenen Rechte auf die nordelbischen Herzogthümer demjenigen