70 Zwischen zwei Revolutionen. zusetzen und ihre charaktervolleren Gegner, wie den Professor Guericke in Halle, auf dem Wege von Zwangsmaßregeln zum Schweigen zu bringen, ft konnte sie doch aus dem Widerspruch nicht herauskvmmeu, womit ihre Position von Haus aus behaftet war. Auf der einen Seite waren durch die Union dic Unterschiede der Bekenntnisse aufgehoben; auf der andern glaubte mau ohne Bekenntniß nicht leben, ohne Bekenntniß keinen „Grund" finden zu können. Alic Erklärungen, welche die Regierung über Sinn und Zweck der Union zum Besten gab, enthielten sich selbst aufhebendc Bestimmungen. Die Cabinetsordre voin 28. Februar 1834 meinte, die Union bedeute kein Aufgeben des bisherigen Glaubensstandes; durch den Beitritt zu ihr werde vielmehr nur der Geist der Milde und Mäßigung ausgedrückt, welcher die Verschiedenheit einzelner Lchr- punkte der anderen Confessio» nicht mehr als Grund gelten lasse, ihr dic äußer liche kirchliche Gemeinschaft zu versagen — ein Standpunkt, welcher zwar den richtigen Gedanken vertritt, daß die Union nur ein Prinzip bedeuten kann, ün Uebrigen aber die verschiedenartigste Auslegung und Ausbeutung erfahren konnte und erfahren hat. In ein neues Stadium trat die Unionssache mit dem Regie rungsantritt Friedrich Wilhelm's IV., welcher alsbald die Zwangsmaß regeln gegen die Lutheraner einstellte, so daß schon 1841 sich neben der Staats kirche eine lutherische Kirchengemeinschaft constituiren konnte, welche es freilich niemals über das Maß einer sectcnartigen Existenz hinauszubringen vermochte und überdies seit 1862 wieder in sich selbst zerfiel, indem die „Jmmanucl-Sh- node" der doppelt separirten Lutheraner sich von dem Breslauer Kirchenregiment unabhängig machte. Dic erste Schöpfung des für Kirchenthum und Orthodoxie begeisterten Königs, von welchem die gläubige Richtung ein neues goldenes Zeit alter erwartete, war der anglo-preußische Bischofssitz in Jerusalem; beide Na tionalkirchen sollten — so war der zu Grunde liegende, mit der Königin von England vereinbarte Gedanke — über dem Grab des Erlösers eine Gemeinschaft stiften, die schnell Allgemeinheit erlangen werde; in der That aber war die Bis- thumsstiftung rein im englisch-hochkirchlichen Sinne aufgefaßt und gereichte der deutsch-evangelischen Kirche geradezu zur Herabwürdigung. Mit aller Entrü stung des deutschen Nationalbewußtseins protestirten Schneckenburger und Hundeshagen gegen jede Anglicanisirung der evangelischen Kirche Deutsch lands und gegen die Einführung englisch-katholischer Begriffe vom Episcopat. Der König seinerseits fuhr fort, als „Romantiker auf dem Throne" zu erscheinen, wenn er den Prinzen von Wales aus der Taufe hob, sich bei der Dombaufcicl in Köln am katholischen Pracht-Cultus erbaute, den Schwanenorden stiftete und überhaupt jede Regung begünstigte, welche auf dem Boden der Gläubigkeit und Kirchlichkeit ihre Wurzeln hatte oder suchte. Um übrigens auch reelle Erfolge zN erreichen, wurde die preußische Kirchcnverfassungsfragc wieder ausgenommen. Man beschloß die Synoden wieder ins Leben zu rufen und begann 1843 mit Kreissynoden, denen 1844 Provinzialsynoden folgten; den ganzen Bau sollst