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II. Deutschland und die deutschen Großmächte. 739 und würdigen Staatsleben zu erdrücken. Aber diese Erfolge waren mit schweren Opfern erkauft worden. Die Unterhaltung einer unermeßlichen Militärmacht, die zur Unterdrückung der inncrn Bewegungen unter den Waffen stehen und die auch nach dem gewonnenen Siege zur Uebcrwachung und Zähmung der mißver gnügten Völker und zur Beschühung der Grenzen in gleicher Stärke bleiben wußte, legte der Regierung unerschwingliche Kosten auf, welche, verbunden mit den hohen Ausgaben für Polizei und Verwaltung, den Staatshaushalt in un heilbare Zerrüttung brachten. Die Staatsschulden mehrten sich ins Endlose, und da die Zinsen größlcnthcils ins Ausland flossen, so verschwand im Kaiser reiche selbst alles Metallgeld aus dem öffentlichen Verkehr und mußte bis auf die Scheidemünze herab durch Papierscheine ersetzt werden. Eine schwankende Valuta hemmte den Geld- und Wcchsclvcrkchr mit dem Auslände und hielt jeden Aufschwung nieder. Der Credit sank immer tiefer, und da die Nationalbank von der Regierung abhängig war, so theilte sie auch das Mißtrauen des Publi- cums in die finanzielle Solidität, so daß ihre Noten, die nicht versilbert werden konnten, nur durch Zwaugscours sich erhielten. Selbst die Ueberlafsung von c-tbr. isn Staatsgütern an die Bank im Betrag der Schuld war nicht vermögend, eine dauernde Abhülfe zu schaffen. Wie reich und mannichfaltig auch die Hülfsmittel des großen Staats sein und wie hoch auch die Summen sich belaufen mochten, welche die schwere Besteuerung aller Güter, Einkünfte und Erwerbsquellen sowie die Zölle und Abgaben aller Art in die Staatskassen lieferten; die Ausgaben überstiegen die Einnahmen um viele Millionen; alljährlich nöthigte ein beträcht liches Deficit die Finanzverwaltung neue Wege zur Deckung zu suchen. Bei der Abneigung der österreichischen Aristokratie gegen Staatspapierc und Geldspecu- lationen und bei dem durch die eigenthümliche Beschaffenheit des Kaiscrstaats mit seiner bunten Völkcrmischung und seinen nationalen Antipathien erklärbaren Mangel an Gcmeingcist und Patriotismus konnten die Versuche, durch frei willige Nationalanlehen die Bedürfnisse zu decken, nicht den Fortgang haben wie in England oder Frankreich. Auch die Uebcrlassung der Staatscisenbahnen auf «ne lange Reihe von Jahren an französische Gesellschaften für beträchtliche ross. Summen, die Veräußerung von Kohlengruben, Staatsländcrcien u. dgl. m. brachten nur eine vorübergehende Erleichterung, welche durch die fruchtlose Theil- vahme Oesterreichs an dem russisch-orientalischen Kriege wieder dahinschwand. Unter solchen Umständen konnte cs nur als eine leere Ostentativ» gelten, daß die österreichische Negierung während der durch Ucberspannung der Credit- und Wechselverhältnisse ausgcbrochenen Geld- und Handelskrisis im November 1857RE. »M. dem bedrängten Handclsstande Hamburgs mit einein Darlchn von zehn Mil lionen Gulden zu Hülfe kam. Die österreichische Finauzwirthschaft krankte an schweren Wunden, die in ihrer ganzen Tiefe und Unheilbarkeit in dem italieni schen Kriege zu Tage traten. Mit der Erkenntniß dieses trostlosen Zustandes gab sich aber auch die Nothwendigkeit kund, durch eingreifende, das gesammte 47*