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704 1). Von Errichtung des zweiten franz. Kaiserthums rc. Gcwaltthatcn Hinreißen ließen, in der irrigen Meinung, der Kaiser habe ihm« die volle Freiheit und den unbedingten Besitz der Felder und Wiesen zugcsprochcm er ließ sich von dem große» Gedanken nicht abbringcn. Die Bauernaufstände wur den durch Waffengewalt niedergeschlagen und die Rädelsführer schwer bestraß. "-U. Zugleich aber bewies ein kaiserliches Manifest vom 19. Februar 1861, daß auch die Opposition der Bevorrechteten ihn nicht von seinem Plane zurnckzuhaßc« vermöge. Mit diesem Manifeste, das die Motive und Bedingungen des W- frciungswcrkcs sammt dem Verfahren der Oeffcnllichkcit übergab, wurde dcr Grund zur inneren Entfaltung der VolkSkräftc Rußlands gelegt und eine HO jN nungsrcichc Zukunft angcbahnt. Zwei Jahre später erfolgte die Emancipatie« der Leibeigenen. Damit ging das ganze sociale Leben des russischen Volkes eimr neuen Entwickelung entgegen. „Dcr früher leibeigene Theil des Bauernstandes", so faßt Schmeidler die Resultat! zusammen, „über zwanzig Millionen Köpfe umfassend, war persönlich frei und unab hängig von dem Gutsbesitzer geworden. Den Bauern waren Haus und Hof als un antastbares Eigcnthum, mit ablösbarem mäßigen Zins belastet, überlassen. Auf dl« Grund und Boden, den der Bauer bis jetzt persönlich oder als Gcmcindeglicd zur Be bauung und Benutzung hatte, hat er ein Pacht - und eventuell Erwcrbsrecht erhalte«. Nach wenigen Jahren waren nicht allein sämmtlichc Pachtcontractc schon definitiv ab geschlossen, sondern die Hälfte derselben in Kauscontractc umgewandelt, freiwillig'« sämmtlichcn groß- und klcinrusfischcn Provinzen und verbindlich für die Gutsherrn i« den Westprovinzcn (polnischen) des Reiches. So waren bald aus dcr Hälfte der tem porär verpflichteten Bauern freie Baucrngutsbesitzer geworden. — Schon nach einige« Jahren machte man die Bemerkung, daß sich das Volk besser nährte, besser gekleidet war, die Trunkenheit, sonst dcr einzige Trost manches Leibeigenen, sich von Jahr z« Jahr minderte. In Betreff der Folgen für den Adel machte man eincn Unterschied zwischen den Eigenthümcrn, deren Einkünfte die Landcsproducte zur Basis hatten, und den Gutsbesitzern, welche ihr Vermögen auf persönliche Arbeiten der ehemaligen Leib eigenen gründeten. Die Lage der Ersteren hatte sich im Ganzen auch gebessert, ih" Einkünfte vermehrten sich, wogegen die Anderen Verluste erlitten und sich nun indu striellen Unternehmungen zuwcndetcn". Bei Gelegenheit des fünfundzwanzigjährigen Rcgicrungsjubiläums AleM- II. am 2. März (19. Februar) 1880 faßte dcr „St. Petersburger Herold" einer Fcstnummer die Rcformthütigkeit des „Zar-Befreiers" in folgende« Sätzen zusammen, welche wir, um dieses scgensvolle Schaffen in einem Gc- sammtbilde zu charaktcrisiren, gleich hier vorgreifend und abschließend anführcn wollen, obwohl ein Theil der Reformen erst im Laufe der Jahre zum Vollzug gekommen ist, auch zeitweise Perioden des Stillstandes und Rückganges cin- traten: „Der mit Opfern erkaufte Frieden von Paris bildet den Ausgangs punkt der Reform-Aera, welche wir durchleben. Ein weithin sichtbarer Weg weiser für kommende Geschlechter steht an demselben: die Bauernemancipa- tion, welche im Gesetz vom 19. Februar 1861 und in nachfolgenden Gesetzen ihre Verwirklichung fand. Der Zeitraum von 1857—1861, den die vorberei tenden Arbeiten für diese colossale wirthschastlichc und sociale Reform in Anspruch