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bung des Landes zu freiem Eigcnthum zu erleichtern, sagte die Regierung durch Darlehen Unterstützungen zu. Nach diesen Grundsätzen, die besonders von der national-liberalen Partei unter der Leitung non Tschcrkaßki, Samarin, Koschelew, Miljutin u. a. und unter der Acgidc der Großfürstin Helene begünstigt wurden, ward nun das große Werk der allmählichen Ablösung in Angriff ge- nouuuen, eine Arbeit, die bei der Abneigung und Widersetzlichkeit der meisten Adclsvcrsammluugeu gegen die Emancipation und das Agrargesetz mit unend lichen Schwierigkeiten verbunden war. Der Kaiser beharrte jedoch bei seinem Entschluß und gab durch die gänzliche Frcierklärung der Bauern auf den Gütern des gcsanunten kaiserlichen Hauses und die unentgeltliche Ueberweisung der von ihnen bebauten Grundstücke ein hochherziges Beispiel edler Gesinnung und un eigennütziger Menschenliebe. Vor diesem ernsten Willen, den der Kaiser auf mehreren Rundreisen durch verschiedene Theile des Reichs klar und fest aussprach, beugte sich der Adel; und wenn er auch der Ausführung alle möglichen Schwie rigkeiten in den Weg legte, so konnte er doch nicht verhindern, daß die Gubernial- Ausschüsse alle vorbereitenden Arbeiten ins Werk setzten und die nothwendigen Materialien und statistischen Ausnahmen zur Aufstellung der Vermögens- und Wirthschaftsverhältnisse sowie der Zahl und der Zustände der Leibeigenen des weiten Landes zusammenbrachtcn, ein Material, von dein Haxthausen ver sichert, daß darin ein Schatz für die Kenntnisse der inneren Verhältnisse Rußlands nicdergelegt sei, wie wohl kein anderer europäischer Staat etwas Gleiches anszu weisen habe. Aus diesen Aufstellungen und aus den Commissionsbcrichten ergab sich, daß im russischen Reiche, ohne die Ostseeprovinzen, wo die Leibeigenschaft be reits aufgehoben und die Verwandlung der Arbeitsleistung als Recht in eine Geld- leistung durch freie Vereinbarung zwischen Gutsherrn und Bauern allmählich durch geführt worden war (XIV, 751), und ohne das Gebiet der Kosacken am schwarzen Meer, wo die Einrichtung nie bestanden, noch über dreiundzwanzig Millionen leibeigener Bevölkerung lebten, die theils als Gutshörige unter mehr oder minder drückenden Bedingungen an die Scholle gefesselt waren, theils gegen Entrichtung einer jährlichen Geldabgabe, des Obrok, an den Leibherrn sich ihren Lebens unterhalt außer den Grenzen des Gutes suchen durften. Dieser unfreien Bevöl kerung ein menschenwürdiges Loos zu verschaffen, sie in eine Lage zu versetzen, in der sie zu einer freiheitlichen Entwickelung, zu einem geordneten Gcmeinde- leben, zu ciuer Existenz mit Eigenthum uud Menschenrechten sich emporarbeiten könne, war das hohe Ziel, dessen Erreichung sich Kaiser Alexander zur Lebens aufgabe setzte; und lvie viele Hindernisse sich der Ausführung in den Weg stell ten, wie heftig der Widerstand war, den ihm nicht blos die bevollmächtigten Abgeordneten des Adels bereiteten, der ihm selbst im Reichsrath und Ministerium cntgegentrat, wie viele bittere Erfahrungen er bei einem großen Theil der Bauern selbst machte, die, aus Mißverständlich oder durch boshafte Einflüsterungen getäuscht, sich zu Arbcits- und Abgabcnverweigerungeu, zu Aufständen und