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l. Die Weslmächte und Rußland. 695 dir Fände zu mehren, zugcbcn, daß dieRajah sich bewaffneten und militärisch cinübten. In dem Pariser Frieden wurden Stipulationen getroffen, welche die nationale Emancipa- tion um einen Schritt weiter förderten : das Fürstcnthum Serbien sollte auch fortan dem türkischen Reiche anachörcn, aber cs sollte eine völlige Unabhängigkeit der Administra tion, Freiheit des Lultus und der Gesetzgebung nicht allein, sondern auch des HandclS und der Schiffahrt erhalten und unter der Garantie der contrahircndcn Mächte stehen. Die Türken sollten die Festungen in Serbien wie bisher mit ihren Garnisonen versehen, aber eine Intervention in die inneren Angelegenheiten des Landes nicht vornehmen dürfen, eine Zwitterstellung, welche die Keime neuer Verwickelungen in ihrem Schooße trug. Alle Einrichtungen, die während des Krieges getroffen waren und nach dem Frieden weiter geführt wurden, hatten dm Zweck, die Suzeränctätsrcchte dcS Padischa zu mindern, das Nationalbcwußtscin der Bevölkerung und die slavisch-russifchcn Sym pathien zu wecken und die volle Selbständigkeit des Landes vorzubereiten. So war gegen die ausdrückliche Bestimmung der Tractate von dem Fürsten und der von ihm einbe- rufencn Nationalversammlung eine Volksbewaffnung unter dem Namen „National miliz" gegründet worden, in der unverkennbaren Absicht, wenn einst die christlichen Rajah der europäischen Türkei sich gegen die mohammedanischen Herrscher erheben wür den , wirksanicn Beistand leisten zu können. Die Protestation der Pforte war ohne Wirkung geblieben. Die nationale Partei der „Jungscrbcn", die ihre Anhänger im Senat und unter den gebildeten Klaffen hatte und in dem Zaren von Rußland ihr eigentliches Oberhaupt, den Hort ihres VolksthumS und ihrer Religion erblickte, an ihrer Spitze Wutschitsch und Garaschanin, suchte diesen Bestrebungen mehr Impuls und Nachdruck zu geben, sah sich aber in ihren Bemühungen gehemmt und gehindert durch den Fürsten Alexander Karageorgicwitsch, der mehr zu Oesterreich neigte. Es bil dete sich daher eine starke Opposition, welche in Ler Skuptschina vom Jahr 1858, zu deren Einberufung man ihn nöthigte, die Oberhand bekam und die Absetzung des Fürsten Alexander durchsetzte. Er flüchtete sich auf österreichisches Gebiet, während den serbischen Thron der alte verbannte Fürst MiloschObrenowitsch wieder cinnahm, dem dann auch die Pforte auf Verwendung Rußlands und Frankreichs nach einigem Sträuben die Investitur erthcilte. Als er im nächsten Jahr starb, erlangte sein Sohn Micha elIII. (Obrcnowitsch) zum zweitenmal die Herrschaft, die nun in seinem Hause rsao. erblich erklärt wurde. Heftige Streitigkeiten zwischen den christlichen Bewohnern und den Türken in der Festung Belgrad, oft zu blutigen Kämpfen gesteigert, gaben dein jungen Fürsten Gelegenheit das Volksheer zu verstärken und zweckmäßiger zu organisircn, nöthigten aber auch die Pariser Vertragsmächte zu vermittelndem Einschreiten, in Folge dessen die türkischen Einwohner, mit Ausnahme der Besatzungstruppen, das Land vcr- laßen mußten. Aber selbst dieses genügte den Serben nicht aus die Länge. Sic for derten und erlangten endlich die Räumung aller serbischen Festungen, wodurch das März is«7. Suzcränetätsrecht der Pforte zu einem wesenlosen Schatten herabsank. Im folgenden 3ahr fand Michael Obrenowitfch ein tragisches Ende. Als er sich in dem Park von Topschider bei Belgrad erging, wurde er von drei mit Revolvern bewaffneten Ver- schworncn ermordet und eine Verwandte, die ihn begleitete, auf den Tod verwundet, Die Volksstimme bezeichnete den verbannten Fürsten Alexander Karageorgicwitsch als den geheimen Anstifter der blutigen That. Aber die Hoffnung, aus diesem Wege wieder in den Besitz des Thrones zu kommen, ging nicht in Erfüllung. Vielmehr wurde von der Nationalversammlung der junge Neffe dcS Ermordeten, Milan Obrenowitfch, der in Paris seinen Studien oblag, zur Herrschaft berufen, bis zu seiner Volljährigkeit eine Regentschaft eingesetzt und die Verfassung in liberalem Sinne verändert. Von den der Lheilnahme an dem Morde Angeklagten und Ueberwiesenen ward der Hauptschul-