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I. Die Westmächtc und Rußland. 669 sicht und Wachsamkeit vorhanden. Denn sowohl in Frankreich als auf dem übrigen Fcstlaudc trat eine gereizte Stimmung gegen England zu Tage, als aus allen Län dern politische Flüchtlinge und Verbannte in dem Jnselrciche eine sichere Zuflucht sanden und, geschützt durch das Asylrccht, der Revolutionspartci in den europäi schen Staaten Vorschub leisteten und das herrschende Regiment zu stürzen suchten. Durch Klugheit und Mäßigung beschwichtigte jedoch die Regierung das Ausland, ohne das Asylrecht zu beschränken; und da die orientalischen Verwicklungen zwischen Rußland und der Türkei, die wir bald kennen lernen werden, die Blicke Europa's auf andere Dinge richteten und Englands Mitwirkung zur Bekämpf ung der russischen Herrschgicr und Eroberungssucht nicht entbehrt werden konnte, so wurde das gute Einvernehmen zwischen dem Jnselrciche und den Contincntal- mächten bald wieder hergcstcflt, und die Regierungen von Frankreich und Eng land traten in ein enges Bundcsvcrhältniß, das, durch wiederholte persönliche Zusammenkünfte der regierenden Häupter befestigt, während des russischen und italienischen Krieges ungestört fortbestaud. Das auf britischem Boden entworfene und vorbereitete Attentat Orsini's war nicht vermögend, das Freundschafts- bündniß zu zerreißen, wenn auch eine vorübergehende Trübung entstand, die sich in gereizten Manifestationen Luft machte. Der Versuch Palmerston's, der bald wieder in das Cabinet getreten war, durch Einführung strengerer Straf bestimmungen über Thcilnahme an Mordtaten die Franzosen zu beruhigen, erregte bei Volk und Parlament lauten Unwillen, so daß abermals ein Minister- Wechsel eintrat. Erst als auf eine Anfrage des neuen Ministeriums aus Paris die Erklärung erfolgte, der Kaiser verlange nichts, was mit der Ehre Englands unvereinbar sei, und hege zu der freundlichen Gesinnung der britischen Nation volles Vertrauen, ward das alte Vcrhältniß wieder hergestellt. Auch später führte die Weigerung Englands, an dem von Napoleon vorgcschlagenen Congreß zur Herstellung des europäischen Friedens und Völkerrechts auf neuen Grund lagen Theil zu nehmen, eine Entfremdung herbei, ohne jedoch eine feindliche Stellung beider Staaten zu erzeugen. Die Engländer hatten alle Ursache, mit Frankreich in gutem Einvernehmen Chor-aur zu bleiben, da sie durch Uebermuth, Herrschsucht und Eigennutz sich in allen P°nnk. Erdthcilcn heftige Feindschaften bereitet hatten. Denn so sehr man rühmend anerkennen muß, daß die englische Nation in ihrem inneren Staatslebeu auch in der jüngsten Zeit hochherzige und freisinnige Ideen verfolgte, daß alle Ministe rien, mochten sic, wie Lord Stanley (Graf Derby), Malmesbury, Disraeli in den Jahren 1852 und 1858, den Grundsätzen der Tories huldigen, oder wie Lord Palmerston, John Russell u. A. (um das Jahr 1855 und später) der Partei der Whigs angehören, oder wie im Jahre 1853 unter Lord Aberdeen, Gladstone u. A. aus einer Coalition beider Parteien zusammengesetzt sein, auf der Höhe ihrer Zeit standen; so sehr man cs preisen muß, daß die Regierung Großbritanniens vor Allem die Herrschaft des Gesetzes anerkannte und feststcllte,