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666 v. Von Errichtung des zweiten franz. Kaiscrthums rc. wurde der Streit bald auf dein Wege friedlicher Verhandlungen ausgeglichen. Durch die Gewandtheit des belgischen Ministers Frere-Orban wurde die franzö sische Regierung bewogen, von den Ostbahnvcrträgcu gänzlich Umgang zu nehmen und sich mit einem Bctriebsvertragc zu begnügen, der Belgien in keiner Weise zu nahe trat. Doch konnte man allenthalben bemerken, mit welcher Eifersucht die Franzosen auf Asics blickten, was von Preußen und dem norddeutsche« Bunde ausging; selbst den Plan einer Gotthardtsbahn, welcher von Deutschland, der Schweiz und Italien nusgeführt werden sollte, suchte das mißtrauische Frank' reich zu durchkreuzen. Als im Frühjahr die dritte Legislaturperiode zu Ende ging und M!« bE^^ahlen zum gesetzgebenden Körper ausgeschrieben wurden, geriet!) die französische Nation in eine fieberhafte Aufregung. Man fühlte, daß eine neue Aera imAn- bruch sei; der Kaiser selbst ließ sich von dem liberalen Dcputirtcn Ollivier die Stimmnngen und Wünsche des Volkes in einer persönlichen Unterredung be richten. Der Ausfall der Wahlen in den größeren Städten, insbesondere i« Paris, wo mehrere „Unversöhnliche", Radicale und Republikaner, über dic Männer constitutivnellcr Freiheit den Sieg davon trugen, machte den Koh betroffen, und es fehlte nicht au Solchen, die einen neuen Staatsstreich erwartete" oder anricthen. Aber Napoleon blieb fest. Als im Juli die neuen Abgeordnete« zu einer kurzen Session zusammentraten, um die Wahlen zu prüfen, und derselben in einer Interpellation Verantwortlichkeit der Minister und Unabhängig' keit und freie parlamentarische Bewegung mit Initiative für den gesetzgebende» Körper verlangten, gab er einen zustimmenden Bescheid und vertagte die Sß' ungen, bis der Senat die beabsichtigten Gewährungen geprüft und bcrath haben würde. Zwar erregte die unerwartete und etwas formlose Vertagt einige Mißstimmung, die noch wuchs, als der anfangs bestimmte Termin Wiederzusammentritts um einige Wochen hinausgerückt wurde; allein die E«' Jul, iso», laffnug des Staatsministers Rouher, des gewandten Verfechters des kaiserlich Absolutismus, bewies, daß es dem Kaiser Ernst sei mit den Reformen. billigte sogar die so stark angefochtene Rede des Prinzen Napoleon im Sch- welche nur in dem aufrichtigen Eintreten in das constitutionelle Staatslebcn dc» sichern Bestand des Kaiscrthums erkennen wollte. A«a° einigen unruhigen Monaten, während welcher der Tod des Marsch^'' Niel neue Veränderungen im Cabinet hcrbeiführte, der leidende Zustand d' Kaisers große Besorgnisse weckte, die Kaiserin Eugenie über Constantinopcl n^ Aegypten zur Einweihung des Nilcauals reiste und die Nachwahlen in U. Novbr. neue Aufregungen erzeugten, eröffnete Napoleon an dem bestimmten Tag gesetzgebenden Körper mit einer Thronrede, worin er in folgenden Worten und Aufgabe seiner künftigen Politik bezeichnete: „Frankreich will die Freih aber mit der Ordnung. Für die Ordnung stehe ich ein; helfen Sie mir,