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64t> 6. Cultur- und Geistesleben in Deutschland. men. Er trat als ein Mann mit neuer Bildung unter die zu Epigonen d" unmittelbar voraufgegangcnen Meister heradgesuukcncn Tonkünstler , er eine andere Schule durchgeniacht, andere Ideale sich gebildet. Durch sci^ Lehrer Zelter wurde er der Kunst I. S. Bach s nahe geführt, der sich I" ganzes Wese» erschloß; nimmt mau die erwähnten Lieder und Klaviers^ aus, so sind alle seine Compositionen mehr oder weniger von Bach's Kunsts durchtränkt, wie er auch hauptsächlich bcigetragcn hat, die für unsere Zeit chln"' teristischc Bach-Berchrung zu befördern. Auch von Händel wußte er sich manö' Wirksame anzueignen, wie besonders das Oratorium „Elias" zeigt; betraf auch nur formale Aeußerlichkeiten, so stand er doch vor seinen Zeitgenossen da neuen Waffen, die er aus einer Rüstkammer geholt hatte, welche den Uelnif bisher verschlossen blieb. Er erschien Vielen sogar als die Synthesis, die Gipfelung von Bach und Händel, und wenn man sein nachgelassenes orol^ sches Bruchstück „Christus" ansieht, so können ihm selber derartige Gedanken ganz fremd gewesen sein. Heute freilich ist die Mendelssohn-Frage kein Räthsel mehr. Die Anlä nung dieses Componisten an eine hundert Jahre ältere Kunstweise stellt sich^' als die erste Frucht gelehrter Anregungen, wie solches auch bei seiner Musiki' griechischen Tragödien der Fall war. Gelehrte waren es, welche die Ideals Musik früherer Zeiten wieder verständlich machten, und unter ihrem noch iu^ steigenden Einflüsse steht fast die gesannnte musikalische Entwickelung der neB' Zeit. Mendelssohn ist hiernach wesentlich ein von seiner musikalischer Ensi'^ düng geleiteter Eklektiker, aber in die musikalische Form der Vorzeit nicht gc"' gend eingewciht, um wirklich eine künstlerische Renaissance jener großen herbeizuführcn. Für eine solche war die Zeit, in welcher Mendelssohn le^ auch allerseits unvorbereitet. Wagm, Diese unsere Zeit steht aber nun vor einer andern Sphinx, vor Wagner. Ein schärferer Gegensatz zu Mendelssohn, als er, ist nicht bar; anch zu dem geistesverwandten Schumann verhält er sich antipodi^ und zu seinem Bühnenvorgänger und langjährigen Vorbilde Mcycrbcer h' er sich in polemischen Schriften selber in Gegensatz gestellt, wie auch noch i" vielen Anderen. Er ist ein Ritter von der Feder wie von der Lyra; seines sammelten prosaischen und poetischen Schriften füllen neun Bünde. An hat er ebenfalls neun Werke geliefert, welche sich auf der Bühne befinden u"' gegenwärtig aufmerksamer behandelt werden und mehr die Theilnahme der genossen in Anspruch nehmen, als die irgend eines andern Componisten, bildet damit jetzt den Mittelpunkt der Bühnenmusik. Das Hauptgewicht legl " auf das sogenannte Dramatische, weshalb er seine Opern auch als musiko^ Dramen bezeichnet, und die Zeit ist ihm im Großen und Ganzen hierin e^ falls gefolgt, indem sie die Bühne als den privilcgirtcn Sitz der dranwtW Musik betrachtet und sich in der Luftspiegelung gefällt, dieses musikalische