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638 ' 0. Lultur- und Geistesleben i» Deutschland. geschaffen, „in welchen der Kern und das Wesen der gefeierten Persönlichkeit mit ergreifender Wahrheit verkörpert ist". Doch läßt sich bei manchen eine Manie- rirtheit und ein gesuchtes absichtliches Streben, die Eigcuthümlichkcit der Per sönlichkeiten recht deutlich hcrvortretcn zu lassen, in vielen Standbildern und Büsten Nachweisen. In den meisten Werken der französischen Plastik der Ge genwart und jüngsten Vergangenheit eines Clcsingcr, Foyaticr, Debay, Jacquc- mont u. A. herrscht ein lebendiger Naturalismus und ein rhetorisches Pathos, woraus hcrvorzugehen scheint, „daß für Schilderungen gewaltiger offener Leiden schaften und sinnlicher Begierde» die plastische Phantasie der Franzosen am meisten geeignet ist". Auch in England entfaltete sich eine selbständige Plastik mit größerer oder ku"st. geringerer Anlehnung an die antike Formenwelt und an die Vorbilder von Ca- i^^'bAnova und Thonvaidsen. Von Flaxman und Gibson haben wir oben erfah ren wie sehr ihnen bei ihren Schöpfungen die antiken Meisterwerke vor Augen schwebten. Doch bemerkte inan in Gibson's späteren Werken mehr Freiheit und Abständiges Naturstudiuni. Noch unabhängiger bildete Francis Chantrcy, ein Autodidakt von geringem Stande, den nationalen Kunststil aus sowohl in seinen Büsten und Idealfiguren (Gruppe schlafender Kinder in der Kathedrale zu Lichfield) als in seinen Reiterstatuen (Georg IV. in Bronze auf dem Trafal- garplatz; Wellington) und Standbildern. Dieselbe freie Nachbildung findet man auch bei den übrigen englischen Bildhauern, einem Macdonald und Bell, einem Westmacott, Baily, R. Wyatt ». A. Aber zu genialen Kunstschöpfungeil hat sich die englische Bildnern nicht aufzuschwingen vermocht. „So viel Nelson, Peel und Wellington, u. s. w. in Erz und Marmor uns begegnen, ein kunst gerechtes Werk wird man nur selten antrcffcn und man wird sich bald an dein ungeregelten Realismus, bald an der geistlosen Stilmaske stoßen". Am besten gelingt den englischen Bildhauern die Genreplastik, aber auch hier begegnet man selten dem heitern Spiel ungebrochener Sinnlichkeit, welches sich bei den südlichen Völkern kundgibt. Ueberhaupt steht in der englischen Kunst die schöpferische Phantasie weit zurück hinter den Gebilden der Literatur. 4. Architektur. DU Baukunst Der in München und Berlin erwachte rege Kunstsinn gab sich auch in der Vand. Baukunst zu erkennen. Es war natürlich, daß die Bewunderung für die Antike die am Ende des achtzehnten Jahrhunderts die gesammte Literatur und Kunst Amanns.beherrschte und die schon der Baumeister Fr. W. v. Erdmaunsdorff, der I7M-180«. Schöpfer des Wörlitzer Schlosses und Parks bei Dessau auf mehrere» Reisen in Italien in sich ausgenommen, auch auf deu architektonischen Kunstgcschmack von durchschlagender Wirkung war. In München wetteiferten zwei Männer von entgegengesetzten Richnmgen in dem gleichen Streben, die Hauptstadt Baierns