Volltext Seite (XML)
IV. Tie Kunst im ne UN zehnten Jahrhundert. 637 trugen der realeren Auffassungswcise, dem Verlangen nach lebendigerem Aus druck und unmittelbarerer Wirkung mehr Rechnung. Dabei wurde jedoch, wie in der Malerei durch Ingres, so in der Bildnerei durch Franz Jos. Bosio einc^ an das antike Fvrmgerüstc, insbesondere an Canova sich anlchncnde idealere Richtung eingeschlagcn, während die jüngere Schule einem ausdrucksvolleren leidenschaftlicheren Naturalismus huldigte. Bosio erwarb sich einen großen Ruhm durch die Reliefs an der Vendomcsäule, durch zwei graziöse und fein behandelte Marmorstaluen im Palast Luremburg (der am Boden liegende Jüng ling-Hyakinthos und die dem Bade entsteigende Nymphe Salmakis), dnrch meh rere monumentale Sculpturcn (Grabdenkmal Ludwigs XVI.; Mausoleum der Gräfin Demidow auf dem Pere Lachaise u. a.) uud durch verschiedene Stand bilder. Noch größere Erfolge in der antik-idealen Richtung erlangte der in Genf geborene, durch mehrjährigen Aufenthalt in Rom herangcbildcte James Pr a- dier, der zu den gefeiertsten Pariser Künstlern gehörte und eine zahlreiche Schule begründete. In seinen der Antike nachgcdachtcn Statuen, unter denen eine Bachantin, eine Psyche, eine Flora, eine Niobide zu den gelungensten gerechnet werden, beurkundete Pradier ein großes technisches Talent, einen glücklichen Nachahmungstrieb, ein feines Gefühl für das Wirksame. Von seiner großen Thätigkeit geben zahlreiche Sculpturcn am Triumphbogen, an der Madeleine, im Versailler Museum, die kolossalen Victorien am Grabdenkmal Napoleon's im Jnvalidenhölel und das Rousseaumonument in Genf Zeugniß. Schon bei Pra dier trat in den späteren Werken das Streben nach Effekt und sinnlicher aus drucksvoller Schönheit zu Tage, ein Streben, das bei seinen Schülern Lequcsne, Guillaume, Dumont u. A. noch deutlicher zum Vorschein kam. Diese Richtung wurde mehr und mehr die herrschende und erlangte die größten Triumphe durch P. I. David aus Angers, einen talentvollen mit genialer Leichtigkeit der Auf-D°«>d ^ fassung ausgerüsteten Künstler. Der maßvolle edlere Stil, den Bosio begründet, ^W-ioso. dem sein Schüler Duret in seiner trefflichen Genreplastik (der Tarantellatänzer; der improvisirende Winzer) und der begabte Rude (Neapolitanischer Fischer- knabe mit einer Schildkröte spielend) treu geblieben, wurde bald gänzlich ver drängt durch David's scharf ausgeprägten Realismus und Naturalismus. Wie der Maler gleichen Namens, aus dessen Schule der Bildhauer hervorgegangen und dessen demokratisch-republikanische Grundsätze er thcilte, war auch Jean Pierre David der einflußreichste Künstler seiner Zeit. Durch längere Studien in Italien, in Deutschland, und als Verbannter des zweiten Kaiserreiches in Griechenland vielseitig angeregt, hat David in großen Monumentalwerken (Rei terstatue des großen Conde in Versailles; Sculpturcn im Giebelfelde des Pan theons), besonders aber in einer Reihe von Standbildern berühmter Zeitgenossen französischer und deutscher Nation (General Foy, Frau v. Stael, Cuvier, Schiller, Goethe, Humboldt, Schelling u. A.) seine große Erfindungs- und Ausführungsgabe bethätigt. In der Portrailbildnerei hat David Meisterstücke