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IV. Die Kunst im neunzehnten Jahrhundert (Deutschland). 613 einer Reihe heiterer Kinderbildcr, gleichsam ein Lustspiel zum hohen Ernst der übrigen, wie dte dichterische Ironie der Romantiker. Ein groß angelegtes Jllu- strationswerk zu Shakespeares Dramen ist nicht zur Vollendung gekommen. Der Umstand, daß die beiden größten Maler der Zeit, Cornelius und Kaulbach gleichzeitig in Berlin beschäftigt waren, gibt einem Kunstkritiker der Gegenwart (Reber) Veranlassung zu folgendem Vergleich: „Kaulbach hatte in den beiden großen Lomposilionen, die er in München geschaffen, in der Hunnenschlacht und der Zerstörung Jerusalems seinen Stil zur vollste« Reife entwickelt, freilich in einer Weise, in welcher Cornelius, der die Bedeutung des Schülers niemals ver kennen konnte, doch den entschiedensten Abfall von seiner Lehre sehen mußte. An die Stelle der christlichen Anschauung, wie sie den Altmeister beherrschte, war eine heidnische, hellenische, an die Stelle der supranaturalistischen Quelle, welche sich kaum bis zum Menschlichen hcrablicß, umgekehrt die Vergötterung des rein Menschlichen, an die Stelle des göttlichen Geistes und der Offenbarung der Weltgeist, der Geist der Geschichte getreten. Cornelius vertrat einen Stand punkt, der in Berlin, wo das positive Christenthum nur mehr einen kleinen, wenn auch erlesenen Kreis von Verehrern zählte, überwunden schien. Kaulbach dagegen hatte sich dem Panier des modernen Geistes angeschlossen, welches von der Wissenschaft getragen nicht blos dessen berufene Vertreter, sondern auch die Masse des Publikums um sich versammelte". Das innere Geschichtsleben bil dete den Grundstock der Kaulbach'schcn Malerei bis zum Tode des Künstlers, wie das Bild „Kaiser Otto III. läßt die Gruft Karls d. Gr. im Münster zu Aachen öffnen" (im Germanischen Museum in Nürnberg) und die vielbesproche nen Monumentalwerke „Peter Arbues" und „Nero" beweisen. Neben diesen großen Malern regte sich noch eine Welt von Künstlern zweiten und dritten Ranges in vielseitiger Thätigkeit, und zugleich entwickelte sich die Landschaftsmalerei unter den Händen eines Rottmann, Ernst undRonmam^ Bernhard Fries, Morgenstern, Heinlein, Catel, Schleich, Lindemann-Frommel u. A. zu einer hohen Blüthe und poetischen Auffassung. Die achtundzwanzig Morgknßnn italienischen Landschaften, die Karl Rottmann von Handschuchsheim bei Heidel- ° berg al fresco in den Arkaden des Hofgartens, und die dreiundzwanzig griechi schen Landschaftsbilder, die er in einer der Oelmalerei verwandten Harzmalerei auf Mauergrund in der neuen Pinakothek gemalt hat, so wie die Ansichten von Heidelberg und verschiedenen Gegenden Italiens von Ernst Fries zeugen von der allseitigen Ergründung und Erfassung der Natur, die sich die Münchener Schule vor Allem zur Aufgabe gestellt hat. „In Rottmann vereinigt sich der feinste Na tursinn („Paros", „Sikyon") mit einem merkwürdigen Ahnungsvermögen, aus landschaftlichen Formen historische Culturzustände zu deuten, und didse Eigen schaften stempeln ihn nicht allein zu einem der eigenthümlichsten, sondern auch zu einem der größten Künstler der Gegenwart". Die der italienischen Natur entnommenen Genre- und Landschaftsbilder von Catel aus Berlin zeichnen sich