Volltext Seite (XML)
44 Zwischen zwei Revolutionen. 2m badischen Oberland fand diese Richtung viele Anhänger, und da man diese 1774—isN Erscheinung der Wirksamkeit dcS Frcihcrrn von Wessen bcrg , ohne Frage des lie benswürdigsten Typus der deutsch-nationalen antirömischcn Richtung im KatholiciS- mus, bcimaß, so wurde er von der bischöflichen Verwaltung in Konstanz verdrängt, ein Beweis, „daß kein Verdienst um die Kirche groß genug sei, um für eine freie und deutsche Gesinnung in Rom Verzeihung zu finden". Auch dem in mildem Sinn auf Ävvst Reformation innerhalb der Kirche bedachten Domcapitular Hirscher in Freiburg 4788-^5'trugen sxjnx freisinnigen Anschauungen und Forderungen nur Unannehmlichkeiten und Verdächtigungen ein. Während er sich unterwerfen mußte, nahm der ehrwürdige Kuhn in Tübingen länger eine für den Ultramontanismus unnahbare Stellung ein. In Re gensburg, Ingolstadt, Landshut und überhaupt in Baiern übte der fromme Bischof Michaellum Regensburg, Sailer, besonders in seinen früheren Jahren eine segensreiche und 17» Wirksamkeit. Er versammelte um sich einen KcciS von Jünglingen, „deren ' — ' ' Christcnthum Erlösung, deren Religion ein warmes Gefühlsleben war. Daher Gc- ringachtung kirchlicher Werke, Empfehlung Fenelon's und Lavatcr's, Befreundung mit würtembergischen Pietisten. Von den Romanisten verfolgt, von den Liberalen ver höhnt, sind Einige aus diesem Kreise mit der Kirche zerfallen". D» SUM Ui, die Stelle des alten Geschlechts von Geistlichen, die ihre Hände durch snEwn keinerlei Aussaat des Unfriedens zwischen den confcssionell getrennten Söhnen des deutschen Vaterlandes befleckt hatten, trat seit den dreißiger Jahren mehr und mehr ein neues, das patriotische Gesichtspunkte höchstens nur in sehr be dingter Weise gelten ließ und sich über das positive Recht des modernen Staates mit kühner Nichtachtung von dessen Existenz hinwegschte. Namentlich gehört cs zu den charakteristischen Zügen dieses neuen, specifisch römischen, Katholicismus, daß er sein thatsächlich bestehendes Verhältnis; zum Protestautismus im paritäti schen Staat ignorirt und sich, ungeachtet ihm seine Alleinberechtigung schon da durch entzogen ist, daß er den Protestantismus neben sich bestehen lassen muß, immer so beträgt, als wenn dieser neben ihm kein Cxistenzrecht, ja kaum wirk liche Existenz besäße. Erstmalig und typisch erwies sich diese Unverträglichkeit der ultramontanen Prinzipien mit den Grundlagen des Rechtsstaates, als, wie einen Apfel der Eris, der böse Feind den Streit über die gemischten Ehen in das gespaltene Deutschland warf, uni dein Streben nach Einheit einen neuen Damm cntgegcnznstellcn. Die katholische Kirche in Preußen, unwillig, daß sie einem protestantischen Staat unterworfen, vergalt dem frommen König Friedrich Wilhelm III. die Rücksichten, die er ihr durch Bereicherung ihres Klerus, durch Errichtung von Kirchen und Schufen, durch Wiederherstellung der Majorats- und anderer Herren-Rechte an den rheinisch-westfälischen Adel bethätigte, mit wenig Dank. Seit dem westfälischen Frieden war die Scheidewand, die jede Verbin dung zwischen den beiden christlichen Confessionen gehindert hatte, verschwunden und die deutsche Volkssitte hatte, wenn auch nicht mit ausdrücklicher Einwilli gung, so doch ohne Widerspruch der Kirche, gemischte Ehen zugelassen, wobei sich das Gewohnheitsrecht bildete, daß, wo nicht ausdrückliche Ehcvcrträge an ders bestimmten, die Kinder je nach dein Geschlechte dem Glauben der Eltern