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42 Zwischen zwei Revolutionen. Collegium in Löwen gründeten die Liberalen aus eignen Mitteln die Universität zu Brüssel. Aber trotz dcS protestantischen Königs und der freien Institutionen des Landes hatte die klerikale Partei meistens die Oberhand, so daß auch in neuester Zeit die treff' lichsten Minister, wenn sie den Interessen des Klerus zuwider handelten, sich nur küm merlich, mit Hülfe einer äußerst zweifelhaften Majorität der Kammer, zu behaupten vermochten. Irland. InIrland verlangte ein verzweifeltes Volk, welches durch die Unbarmherzigkeit Altcnglands und durch die eigene Schlaffheit und Arbeitsscheu in einen Zustand gc- rathcn, daß es „im eigenen Vatcrlande bei einer ausländischen Hierarchie und Aristo kratie zur Miethe wohnt und jeden Winter zu verhungern fürchtet", mit Drohen Erlö sung aus seinem Elend durch kirchliche und politische Reformen. Im Bunde mit der Geistlichkeit hielt O'Connell, der „große Agitator", das katholische Volk in steter Aufregung, um den Forderungen durch den gedrohten Widerruf der Vcreinigungsacte sRepcal) Nachdruck zu geben, während neben dein mit religiösen Waffen fechtenden Laien der Dominikaner-Mönch Mathew j-j- 1356) durch einen Mäßigkeitsverein (tsntotnllsrs) Nüchternheit und eine auf Selbstachtung gegründete Sittlichkeit zu er zeugen bemüht war. Ganz Europa stand zu Ende der zwanziger und in den dreißiger Jahren unter dem Zauber dieser Männer, welche das erste glänzende Zeugniß gaben, wie die Freiheiten des modernen Staates zu Gunsten der mittelalterlichen Weltan schauung vcrwerthct und verwendet werden können. Aber wie sehr auch die Whigs im englischen Ministerium auf eine Reform der irischen Kirchcnzustände drangen, sie konnten nur eine Umwandlung des Kirchenzehntcn in einen ermäßigten Grundzins durchsetzen; jede weitere Reform scheiterte an der Engherzigkeit und dem Eifer der Hochkirchlichcn. 184s. „Zur Versöhnung Irlands brachte das Ministerium Peel die Vermächtnißbill ein, welche der katholischen Kirche, doch mit Ausnahme der Orden, gestattet, unter eigenem Namen Eigcnthum zu erwerben, und setzte für Maynooth, das Seminar zur Erzie hung des katholischen Klerus, eine Dotation durch, nachdem bereits mit Rcgierungs- untcrstützung Volksschulen errichtet waren, welche den Unterschied der Kirchen zu um gehen suchten". Lchwk>!. In der Schweiz allein erlebte der Ultramontanismus ganz entschiedene Miß erfolge. Schon seit seiner Restauration hatte sich der Jesuitenorden in den katholischen Kantonen festzusetzcn versucht; Mittelpunkt der ultramontancn Bestrebungen wurde MM. Luzern, besonders seit Joseph Leu von Ebcrsol auf Ucbergabc der Lehranstalten an die Gesellschaft Jesu zu dringen angefangcn hatte, was alsbald große Aufregung iku. verursachte, nichtsdestoweniger aber durchgcsctzt wurde. Schon zuvor hatten die jesuiti schen Kantone einen Sondcrbund unter sich abgeschlossen, durch welchen der eidgenös sische Bund thatsächlich aufgelöst worden war. Endlich gelang cS nach längerem Ringen 1847. den liberalen Kräften der anderen Kantone, die Auslösung des Sonderbundes und die Vertreibung der Jesuiten aus der Schweiz bei der Tagsatzung durchzusctzcn; aber nur der Energie und Fürsorglichkeit der Tagsatzung ist es zuzuschreiben, daß ungeachtet der Unterstützungen, die Metternich und Ludwig Philipp dem Sondcrbunde zu Theil werden ließen, doch das ganze Gebäude des Jesuitcnthums noch vor Ende des Jahres 1847 zu Boden geworfen war. Deutsch- Kit. Die oben gemachte Bemerkung, daß dem Mangel an einem großartigen und freien politischen Leben leicht eine Uebcrfnllc kirchlicher Bewegungen, ein über reiztes kirchliches Parteitreiben entspricht, bewährte sich vornehmlich in Deutsch land, zumal da die natürliche Neigung des Volksgeistes, der Hang zum Ucber-