Volltext Seite (XML)
564 6. Cultur- und Geistesleben in Deutschland. auch nicht überall gezogen oder offen eingestanden werden, sind: der gemein« schaftliche Besitz aller Productionsmittel, die Aufhebung des Privatcigenthums an Capital wie an Grund und Boden oder, wenn ein beschränktes selbstcrwor- bencs Privateigenthum noch anerkannt wird, jedenfalls die Bcr»icht»ng des Erbrechts, die Verwandlung des Staats in industrielle und ackerbauende, auf dem Communismus beruhende Productivassociationcn. Auch die großen sitt lichen Grundbegriffe wie Religion und Ehe tastet der Socialismus frevelhaft au, wenn er auch aus Scheu, die bessern seiner Anhänger abzustoßen, nicht immer offen mit der Sprache herauskam. Seine Religion ist der Atheismus, seine Ehe die „freie Liebe", sein Staat, mochte auch Lassalle an der Möglichkeit einer monarchischen Verfassung festhaltcn, die Republik mit absoluter demokratische Gleichheit. Kurz und treffend hat einmal der „Volksstaat" geschrieben: „De Socialismus ist eine neue Weltanschauung, welche sich auf religiösem Gebiet als Atheismus, auf politischem als Rcpublikanismus, auf ökonomischem Gebiet alS Communismus ausdrückt". r-moNaNsche Der socialdemokmtischc Staat kann, wie in einem unlängst von nationalliberaler Staal. Seite ausgegangcnen Wahlflugblatt treffend ausgeführt wird, unzweifelhaft nichts anderes als Republik sein. Aller Grund und Boden, sämmtliche Fabriken und son stige Productionsanstalten bis auf die Werkstatt hinunter sind gemeinschaftliches Eigen thum und werden vom Staat verwaltet. Es gibt keinen Gutsbesitzer, aber auch keinen Bauer mehr. Die Ländereien einer oder mehrerer Dörfer sind zusammcngclegt und unterliegen ebenfalls der gemeinschaftlichen Verwaltung. Der Bauer hat auf seinein Felde nichts mehr zu suchen. - Die Fabrikanten sind verschwunden und an ihre Stelle vom Staat ernannte Beamte getreten, welche die Fabriken für Rechnung Aller d. h des Staats verwalten. Der einzelne Handwerker kann allein ohne Gesellen und Ab hilfen für sich arbeiten und soviel individuelles, persönliches Eigcnthum erwerben, als er für sich gebraucht; aber auf seine Kinder oder Angehörigen darf er nichts vererbe» Das Erbrecht ist aufgehoben. Es ist Jedem gestattet, neben der auf ihn treffend»' Handarbeit, sich mit Kunst und Wissenschaft zu beschäftigen, aber für diese geE Arbeit gebührt ihm kein Antheil an dem Ertrage der Gesammtarbcit; das hieße j» iß" - von dem Schweiße der Arbeiter ernähren oder mästen. Gelehrte und Künstler wird eS ! daher in dem Zukunftsstaat schwerlich geben. Kaufleute im eigentlichen Sinne kann es auch im socialdcmokratischen Staat nicht geben. Selbst wenn sie ihre Waaren m» von den gemeinschaftlichen Productionsanstalten des Staats kaufen wollten, so wü^ jeder Nutzen beim Wiederverkauf ein Erwerb ohne Arbeit sein, der ja unzulässig'st auch kann Niemand mehr als den eigenen Bedarf ohne einiges Capital einkansa» Privatcapitalien gibt es aber im neuen Staate nicht. Im socialdemvkratischen Sta» besteht nur eine Volkswehr (Miliz) mit kurzer Uebungszeit, die nach allen Erfahrung»' einer wohlorganistrten, disciplinirtcn und eingcübten Militärmacht eines Nachbarstaast ; nicht widerstehen kann. Im socialdcmokratischen Staat kann es auch keine Geistlich'» l geben, denn die Socialdcmvkraten sind Atheisten, wie sic offen cingestehcn. Der soci» ' demokratischen, jederzeit wieder auflöslichen Ehe sollen weder durch den Staat noch d»^ den Altar Fesseln angelegt werden. Die Ehe wird nur auf so lange geschloffen, als Liebe anhält, d. h. auf Zeit. Um die Erziehung und Erhaltung der Kinder haben sich - Eltern nicht zu bekümmern, dazu ist der Staat verpflichtet. Mann und Weib laust i zusammen, wenn sie Liebe zu empfinden meinen, wenn es ihnen beliebt, und wi»'