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n. Die deutsche Wissenschaft im neunzehnten Jahrhundert. 549 gedeihlichen Entwicklung des Gewcrbcwescns sind jedoch nur die Staaten der gemäßigten Zone berufen und diese haben sich wieder durch verschiedene Entwicklungsstufen hindurch zur industriellen Blüthe zu erheben, durch die Stufen des Hirtcnlcbcns, des Ackerbaus, der Agricultur-Manufacturperiode und endlich der Agricultur-Manufactur-Handels- periodc, in welcher List die wirthschastiichc Vollendung erblickt. Die ökonomische Her anziehung des Volks bis zu diesem Höhepunkt ist Aufgabe des Staats. Auf den untersten Entwicklungsstufen ist Handelsfreiheit und ungehemmter Güteraustausch mit reicher entwickelten und gcwerbflcißigercn Ländern nothwcndig; beginnt aber eine ein heimische Industrie sich zur Selbständigkeit und Lebensfähigkeit zu entwickeln, so bedarf he des Schuhes gegen die übermächtige Concurrenz des Auslandes, bis sic soweit erstarkt G, daß sie den Wettbewerb nicht mehr zu scheuen braucht und die Rückkehr zum freien Handel wieder nothwendig wird. Die Schutzzölle verthcucrn zwar auf einige Zeit die inländischen Jndustrieerzeugniffe, gewähren aber in der Zukunft desto wohlfeilere Preise; denn eine vollständig ausgebildete Nationalindustrie kann die Preise wohlfeiler stellen das Ausland, schon wegen der Transportkosten. Die Nation gewinnt somit durch die Schutzzölle an Produktivkräften, und wenn sie augenblicklich Opfer wegen der Ber- iheuerung der Fabrikate zu bringen hat, so sind diese Opfer gleichsam ein Erzichungs- fd, welches sich künftig reichlich lohnt. Für Deutschland, welches auf der Mittelstufe dir industriellen Entwicklung stehe, verlangt List ein umfassendes Schutzzollsystem, Aus- dildung des Zollvereins, Vervollständigung des Verkehrswesens, einheitliches Eiscnbahn- shsiem, eine Seemacht, Bestrebungen, für die er eine erfolgreiche praktische Wirksamkeit ^faltete. Die Lehren List's waren der Hauptsache nach auch von Andern schon Vor fragen worden; seine Bedeutung liegt aber vorzugsweise darin, daß er die Theorien "uf den öffentlichen Markt des praktischen Lebens brachte und mit dem Feuer eines Agitators und mit einem Erfolg für dieselben wirkte, der begreiflich war in einer Zeit, die deutsche Industrie sich mühsam aus dem Verfall erhob und gegen das englische Übergewicht einen schweren Kampf führen mußte, wo zugleich für große nationale ^esammtzwccke, wie sic dieser patriotische Mann anstrebte, lebhaftes Berständniß herrschte. ist ebenso oft überschätzt als unterschätzt, von den Einen in maßloser Uebertreibung ein „ökonomischer Luther", von den Anderen ebenso übertrieben als kenntnißloser Marktschreier bezeichnet worden. Seinen Erfolg verdankt er der Gabe, einem populären Erlangen den richtigen Ausdruck gegeben zu haben. Als der vorzüglichste Vertreter der reaktionären feudal-kirchlichen Bolkswirth- Mstslehre steht der uns bereits sS. 505) bekannte Staatsmann der Restauration undÄd'MWcr ^"nvertlt Adam Müller da, der „die Nothwendigkeit einer theologischen Grundlage Staatswissenschasten" nachzuweisen suchte und das Heil der Menschheit in der 'Rückkehr zu mittelalterlichen Gesellschaftszuständcn und Lebensordnungen erblickte. Er ührt m seinen „Elementen der Staatskunst" u. a. W. aus, daß die modernenstaatswirth- Mstlichen Systeme, insbesondere der Smithianismus, blos einseitige Geld- und Pri- ?figcnthumstheorien seien, welche die ganze menschliche Gesellschaft schief auffassen, ja Äst desorganisieren, daß sie alle sittlichen Mächte und Elemente im Saate zu vernichten ^^n, nur eine Oekonomie der todten Sachen, des leblosen Stoffes im Auge haben, eine Theorie des Eigennutzes und der Privatintcressen, eine einseitige Lehre der f'schen Industrie- und Geldwirthschaft, die alle Religion, alle Gemüthlichkeit, alle ^flönlichkcit verdrängt habe, liefern, das Volksleben in seinem einheitlichen Zusammen- in s^ner geschichtlichen und nationalen Verbindung, Dauer und Zusammen- »^örigkeit nicht beachten und dem Staate eine seiner höheren Zwecke und Ausgaben "würdige Stellung anweisen. Im Staate muß sich das ganze individuelle Leben des seinen concentriren, ihm sich unterordncn und seine Selbständigkeit opfcrn. Die