II. Die deutsche Wissenschaft im ncunzehntcu Jahrhundert. 529 in der Form von Wärme als unsichtbare Bewegung der kleinsten Theilchcn wieder zu finden. Der erste Gedanke dieser Lehre wurde von einem Arzt, R. M ayer in Heilbronn im Jahr 1840 ausgesprochen, der bei seinen Beobachtungen am Krankenbett durch scharfsinnige Schlüsse zu Folgerungen geführt wurde, die das ganze Weltall beherrschen. Fast gleichzeitig mit Mayer und unabhängig von ihm waren zu denselben Folgerungen Joule in England und Helmholtz in Deutschland gekommen, welche durch ausgedehnte Beobachtungen und Experi mente und durch mathematischen Calcul der neuen Theorie eine festere Begrün dung gegeben haben. Besondere Regsamkeit trat in den letzten Jahrzehnten auf dem Gebiete der Eh-m« Chemie hervor. Die Lehre von Lavoisier und die Entdeckung der festen Verhält nisse in den chemischen Verbindungen, die im vorigen Bande besprochen sind, haben den weiteren Forschungen einen sicheren wissenschaftlichen Boden gegeben. Viele theoretische Fragen harrten hier der Beantwortung und das noch wenig angebaute Feld versprach eine reiche Ausbeute au neuen Entdeckungen und neuen Ansichten; dazu kommt, daß in der Chemie fast jeder Fortschritt einen unmittcl- haren praktischen Nutzen in Aussicht stellt, und die Anforderungen der Technik an die Chemie haben nicht wenig dazu bcigctragcn, die Wissenschaft selbst zu lördern. So ist die Chemie für unser Jahrhundert bald zu einer Lieblingswifsen- lchaft geworden, und wenn auch noch viele Fragen zu beantworten, manche Er- gebnisse unsicher und bestritten sind, so sind doch in wenigen Jahrzehnten unsere Kenntnisse der chemischen Vorgänge, die thereotischen Aufschlüsse über dieselben, imie die Hülfsmittel der Forschung außerordentlich gewachsen. Die Aufgabe, sicher sich die theoretische Chemie zuzuwendcu hatte, und die der ganzen For- lchungsrichtung des gegenwärtigen Jahrhunderts ihre Signatur ausgeprägt hat, war die Ausbildung der Atomlchrc, welche durch die Entdeckung des großen lranzösischcu Gelehrten Gay Lussac, daß die Raumtheile von Gasen, die eine^Mzzo chemische Verbindung mit einander eingehen, immer in einem festen einfachen ^hlenverhältniß zu einander stehen, eine neue Bedeutung erlangt hatte. Diese ^üdeckung Gay Lussac's führte bereits im Jahr 1811 Avogadro zu dem Schluß, in gleichen Raumtheilen verschiedener Gase bei gleicher Temperatur und bleichem Druck immer dieselbe Zahl von chemische» Moleküle» enthalten sei, ein welches, lange unbeachtet, für die neueste Entwickelung der Chemie von »»scheidender Wichtigkeit geworden ist. In der Folge hat Dumas in Paris das Gay-Lussac'sche und Avogadro'schc Gesetz angewandt um aus dem specifischcn Gewicht der Dämpfe das Atomgewicht zu bestimmen. Große» u»d nachhaltigen Einfluß auf die Chemie hat die unermüdliche Öligkeit des Schweden Bcrzclius geübt, der sich besonders um die Ausbil- ^8 dn Atomtheorie durch Bcstimmuug der Atomgewichte, ferner durch seine . Eilige Durchforschung der innigen Beziehungen der Elektricität zu de» chemi- Vorgängen unsterbliche Verdienste erworben hat. Auch die heute übliche Wtttg-schichtt. XV. 34