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518 0. Cultur- und Geistesleben in Dcinschland. Wissenschaften, besonders so weit sie die belebte Natur betreffen, einen bmlrn Boden erobert, und an Stelle einer gesunden Naturphilosophie im Geiste Newton die von den gegebenen Thatsachen ausgehend, die Einzelerscheinungen unM allgemeinen Gesetzen zusammenfaßt, traten nur zu häufig unklare Vorstellungt» und vorgefaßte Meinungen, denen die Thatsachen, wohl oder übel, angcpaft werden mußten. Der hervorragendste und genialste Vertreter dieser naturphilosophischc» Richtung ist Lorenz Oken (Okcnfußj, ein geistvoller und charakterfester Monn, der zu seiner Zeit einen großen Einfluß auf die Naturkunde übte, die ihm traf seiner Neigung zu mystischer Speculation manche fruchtbare Anregung, manche neuen allgemeinen Gesichtspunkt zu danken hat. Oken war durch seine Natur' Philosophie zu einer dem Spinozismus verwandten pantheistischen WeltanschaU' ung geführt worden, die er in seiner Zeitschrift „Isis" und in anderen notim wissenschaftlichen Werken rückhaltlos vertrat, wodurch er gegen die herrschende» Ansichten vielfach anstieß und mannigfachen Anfechtungen sich aussetzte. Er sah sich gezwungen, seinen ersten Wirkungskreis in Jena aufzugeben und nachdv» er einige Zeit in München zugebracht, aber auch dort keinen gesicherten Bode» für seine freien Anschauungen hatte gewinnen können, fand er endlich eine flucht in der Schweiz. Noch bezeichnet ein einfacher Denkstein an einem dkl herrlichen Punkte in der Umgebung des lieblichen Zürichsees den Ort, der al» sein Lieblingsplatz bekannt war, an dem er über die Räthscl der Natur nach;»' sinnen pflegte. Ma,Nia. Es konnte nicht fehlen, daß der einseitig speculativen Richtung, welche du Ricküung. Naturforschung in unfruchtbare Bahnen zu drängen drohte, eine Reaction folgte, welche sich zunächst in einer gänzlichen Abwendung der meisten Naturforscher ua» jeder Philosophie überhaupt, ja in einer Verachtung aller Speculation zu e»' kennen gab, dann aber zur Ausbildung eines materialistischen und atheistische» Systems führte, welches, wenn auch auf reichere Kenntniß der Natur gcgrüudtt, doch mit dem Materialismus des vorigen Jahrhunderts eine unläugbare innert Verwandtschaft zeigt. Wie dieser hat auch der neuere Materialismus sich »>^ auf Fragen der Wissenschaft beschränkt, sondern mit besonderer Erbitterung gegen die herrschenden religiösen Ansichten seine Waffen gerichtet. Am weitesten in dieser polemischen und negircndcn Richtung gehen d» Bog, naturwissenschaftlichen Schriften Karl Vogt's aus Gießen, der nach der Au' ' lösung des Frankfurter Reichsparlaments, wo er als einer der Führer und Haupt redner der „Linken" thätig war, seinen Aufenthalt in der Schweiz genommen hat' ein kühnvorstrebendcr Mann, der in weitverbreiteten Schriften („Lehrbuchs Geologie und Petrcfactcnkundc", „physiologische Briefe", „Bilder aus du» Thierlebcn" u. a. W.) der materialistischen Weltanschauung einen schroffen ui» rückhaltlosen Ausdruck gab. In gleichem Sinne wirkten Moleschott, Büch»^ und wenn auch philosophisch tiefer angelegt, H. Czolbe. Für die AnhäO