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II. Die deutsche Wissenschaft im neunzehnten Jahrhundert. 517 Confessio» suchen zu wollen. So wenig dies in Sinn und Trieb der großen Begründer unserer gegenwärtigen humanistischen Bildung F. A. Wolf, G. Her- mann, A. Böckh (S. 478) gelegen war, so haben doch dieselben verdienten Schulmänner, welche das Schlagwort der „Concentration des Unterrichts" ans gaben, und aus Furcht vor Zersplitterung am liebsten allen Unterricht in den Naturwissenschaften und modernen Sprachen aus dem Gymnasium verbannt hätten, dem Religionsunterricht fast allein eine bedeutende Stellung neben den elastischen Sprachen cingeräumt, so vor Allen Friedrich Thiersch selbst, der Be gründer der Gymnasialpüdagogik; aber auch Nägclsbach, Flatt, Karl v. Rau mer, K. L. Roth, G. Schwab, Landscrmann u. A. Dagegen suchte Lübker, indem er das historische Prinzip durchführte, nach einer Vermittelung in dem Sinne, daß die Gelchrtenschulc Altcrthum, Christenthum und moderne Welt in ihrer gegenseitigen Verbindung kennen lehren soll. Allgemein einverstanden ist man übrigens in der Anerkennung, daß für die Jugend Kcnntniß der griechi schen und römischen Welt, d. h. des Alterlhums, das Naturgemäße sei, daß die elastischen Sprachen am meisten dazu geeignet seien, die Dcukkraft zu entwickeln, überhaupt für die Geisteswissenschaften vorzuberciten und so diejenige Bildung, welche das Gymnasium geben soll, zu fördern. Reges Leben ist in allen Rich tungen dieser Fachliteratur zu bemerken. Lehrmittel, Schulbücher, Classikcr- Ausgaben folgen in Flutheu und fortwährend wird sowohl die theoretische als die praktische Seite au der Sache in Programmen und Zeitschriften wie auf Phi- lologenversammluugcn behandelt. 7. Naturwissenschaften und Mathematik. Wir haben im vorangehenden Bande die Wege zu schildern versucht, in welche die Naturforschuug am Ausgang des vorigen Jahrhunderts eingelcukt Richmng) hatte; auf dieser Bahn ist in unserem Jahrhundert die Wissenschaft rüstig fort geschritten, und wenn auch die Zeiten der Romantik, deren Einfluß in der Wissenschaft ebensogut sich geltend machte, wie in der Dichtung, dem naturwissen schaftlichen Streben wenig förderlich waren, wenn auch die politischen Stürme der Befreiungskriege andere Interessen in den Vordergrund drängten, so erlangte doch schließlich ein Zug des Realismus die Oberhand, unter dessen Herrschaft die Naturwissenschaften zu einer reichen Blüthe sich entfalten konnten. In den ersten Deccnnien des Jahrhunderts hatte eine Richtung sich der Geister be- wächtigt, welche, wenn auch einzelne Anregungen von ihr ausgcgangcu, einzelne hervorragende Entdeckungen unter ihrem Einfluß gemacht wordcu waren, doch ün Ganzen nicht segensreich für die Naturforschung war. Das von der Philo sophie Hegel's und Schclling's ausgehende Streben, aus den Gesetzen des mensch lichen Geistes heraus das ganze Dasein zu construircn, hatte sich in den Natur-