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II. Die deutsche Wissenschaft im neunzehnten Jahrhundert. 479 dadurch sichere Grundlagen der Tertbehandlung. Darin gingen 3. B e k k e r und K. Lachman» in Berlin voran, der erstere besonders auf griechischem, der letztere auf lateinischem Gebiete, und nun erfolgte eine neue Aera kritischer Aus gaben der alten Klassiker mit zum Theil glänzenden Resultaten; auch den Frag menten verlorener Schriftsteller und den abgelegenen Gebieten der Literatur wurde besondere Sorgfalt gewidmet. Die Grammatik aber wurde zur Sprach geschichte erweitert theils unter Einwirkung der deutschen und der vergleichenden Sprachforschungen (3. Grimm und Fr. Bopp), theils besonders durch die neu erwachte und vertiefte 3nschriftenkunde. Die letztere in Verbindung mit der alt- lateinischen Literatur (Plautus) wurde in diesem Sinne hauptsächlich durch Fr. Ritschl fruchtbar gemacht. Derselbe wurde auch (als Professor in Bonn undR-rM^ Leipzig) das Haupt einer auf allen Gebieten emsig und erfolgreich arbeitenden Philologcnschnle (Ribbeck, Wachsmuth, Büchler). Für die Epigraphik, deren Erweiterung und bessere Schätzung überall zu neuen, festen Aufschlüssen führte, wurde Hervorragendes geleistet, in erster Linie durch die von der Berliner Aka demie geförderten großen Sammlungen, deren Herstellung für die griechischen Inschriften Böckh begründete, jetzt A. Kirchhoff und zahlreiche Mitarbeiter trefflich besorgen, für die lateinischen aber vor Allem Th. M o m in s e n in Muster - giltiger Weise vollzog. Die Zahl derjenigen, welche neben den genannten Meistern durch Lehre, wie durch Schriftstellerei sich um die philologischen Studien verdient machten und machen, ist eine unendlich große, die Früchte dieser Arbeit sind unzählig und unübersehbar. Von den bereits Heimgegangenen verdienen wohl aus der Fülle der Namen hervorgehoben zu werden ein Ehr. A. Lob eck, ein K. Lehrs, ein G. Fr. Schömann, ein K. Fr. Hermann, ein O. 3 ahn, ein Sch-m»^^ M. Haupt; aber auch der mehr anregenden, als dauernden Wirksamkeit eines Fr. Jakobs, Fr. Thiersch, K. Göttling und des durch die Schulen weit-s-^^ verzweigten Einflußes eines PH. Buttmann und C. G. Zumpt muß ehren- voll gedacht werden. Göttling's Schüler war Bernh. Stark, der gelehrte Kenner der antiken Kunst („Niobe und die Niobiden"), dem es nicht vergönnt war, von seinem Hauptwerk („Handbuch der Archäologie der Kunst") mehr als den ersten ^^0 Band zu vollenden. Wie viele Anfechtungen die Philologie zu erleiden haben mochte, bald von Seiten einer engherzigen christlichen Orthodoxie, welche sie als Starks Trägerin und Pflegerin heidnischer Anschauungen zu verdächtigen suchte, bald von Seiten einer praktischen Nützlichkeitstheorie, welche den weiten Weg durch das Alterthum für einen Zeit und Kraft raubenden Umweg angesehen wissen wollte; sie wird stets das Kennzeichen weltgeschichtlicher Cultur und echtmcnsch- licher Bildung bleiben, die ihre Bedeutung nicht in einer gewissen Summe von Kenntnissen und Wahrheiten besitzt, sondern darin, daß sie die Gegenwart mit der Vergangenheit verknüpft, die Kontinuität des Menschengeistes in seinen her vorragendsten Merkmalen darthut und sesthält, die Güter und Errungenschaften