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II. Die deutsche Wissenschaft im neunzehnten Jahrhundert. 477 welche zugleich die vorhergegangenen Entwickelungen der Wissenschaft in gewissem Anne wiederholte, dadei aber erweiterte und vcrticste. Von wesentlichem Einfluß warm dafür theils die neuen Anregungen, welche die alte Kunstgeschichte durch n'1 .ca-^ 3. Philologie und Sprachwissenschaft. Das kunstreiche Werk der Sprachbildung war von jeher Gegenstand der Forschung und Wißbcgicrde unter den Culturvölkern alter und neuer Zeit. Die Griechen und Römer, die Inder und Araber haben die Regeln und den Organis mus ihrer Idiome zu ergründen und in Sprachlehren oder Grammatiken fcstzu- stellen und zu ordnen gesucht. Seit der Reformation sind die grammatischen Studien Geineingut des gcsammtcn Abendlandes geworden, und wenn sich das Interesse der Humanisten zunächst den klassischen Sprachen, dem Lateinischen und Griechischen, zuwandtc und daneben nur noch das Hebräische, den Grund iert der heil. Schrift, in den Kreis ihrer Sprachforschung zog, so dehnte sich diese wissenschaftliche Thätigkcit bald über die Landessprachen aus. Doch be haupteten die klassischen Sprachen den ersten Rang; die griechischen und latei nischen Schriften blieben die Grundlage der Erziehung zu einer menschlicheren Bildung (Humaniora , die Mittel und Wege zu ihrem Verständniß und zu ihrer Auslegung wurden zu einer eigenen Wissenschaft, der klassischen Philologie zu- sammengcfaßt, einer Wissenschaft, welche sich der Erforschung und Durchdring ung der alten Culturwclt in allen ihren Lcbenserscheinungcn zur Aufgabe stellte, in erster Linie aber das wichtigste Hülfsmittcl aller Alterthumskunde, die Er kenntlich der Sprachen, zu fördern bestrebt mar. Alle Völker haben an dieser Thätigkcit Theil genommen und die Blüthe der philologischen Studien, mit denen das gelehrte Schul- und Erziehungswcscn aufs Innigste verbunden war, konnte als Maßstab für den gesammten Bildungsstand einer Nation angesehen werden. Durch diese allseitige Theilnahme wuchs die Philologie zu einer Wissenschaft vom weitesten Umfange heran, die fortwährend neue Elemente in sich aufnahm, im mer mehr Zweige ansctzte und zu Hülfswissenfchaften ausbildete, sie wurde zur Polymathic und Pvlyhistorie, in welcher die formale Seite hinter der materiellen und realistischen zurücktrat, die Sprachkcnntniß selbst nur die Geltung eines noth- wendigen Hülfsmittcls im Dienste einer überfluthenden Gelehrsamkeit erlangte. „Daran hat die klassische Philologie nie gedacht, eine Sprache um ihrer selbst willen zum Gegenstand des Studiums zu machen, die Beschäftigung damit als Selbstzweck anzusehen, den Gesetzen ihrer inneren Entwickelung nachzuspüren und sie als den Ausfluß der psychologischen Organisation eines Volkes zu be trachten." Je nach der vorherrschenden Zeitrichtung wurde sie der Rhetorik, der Kritik, der Acsthetik untergeordnet oder beigesellt , die Grammatik nnd Linguistik «hielt nur eine propädeutische Bedeutung. Erst im achtzehnten und neunzehnten -^hundert brach sich in der deutschen Philologie eine neue Auffassung Bahn, 1t-'' äb hi' .F am s<