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I. Die poetische Literatur nach Goethe. 459 wunderbare Weise befreit, worauf er sich nach England und Amerika begab. Die im Jahre 1849 erschienenen Erzählungen von Gottfried und Johanna Kinkel schließen sich ihcilS, wie Aucrbach's Dorfgeschichten, an die Wirklichkeit an, theils streifen sic in das Gebiet dcS Märchens über. Johanna Kinkel, eine begabte Frau, die an der Flucht ihres Gatten den bedeutendsten Antheil hatte und ihm durch ihre musikalischen Talente s.Acht Briefe über Klavierunterricht") auch in der britischen Weltstadt die Sorgen des Flüchtlingslcbcns erleichterte, starb im November 1858 in Folge eines HcrzkrampfcS durch einen unglücklichen Fall aus dem Fenster. In „Hans Jbcles" hat sie eigene und fremde Erfahrungen aus dem Flüchtlingslcben in London wahr und anschaulich dar- gestellt. Mehrere Jahre lebte Kinkel, aus Amerika zurückgckchrt, in London, mit Vor lesungen über Kunst und Literatur und niit der Herausgabe der Zeitung „Hermann" beschäftigt, bis er als Professor der Kunstgeschichte an das Polytcchnicum in Zürich berufen ward. Sein Befreier K. Schurz erwarb sich in den Vcrcinsstaatcn Amerikas eine angesehene Stellung als Publicist, Volksredncr und Staatsmann. 4. Das literarische Oesterreich. Auch das gcmüthlichc Oesterreich, wo man so lange Lebensgenuß und heitere Kunst über Freiheit und Vaterlandsliebe stellte, wo so lange die publicistischcn Schriften des uns bekannten Schriftstellers und Staatsmannes Friedrich Gentz (XIII, 718 f., XIV, 567) für die einzige echte Staatsweishcit gehalten und die politischen und Monographischen Arbeiten eines Jarke (ff 1852), Hurter und anderer aus der Fremde eingcwanderten Vorfcchter ultramoutaner und ab solutistischer Grundsätze als der Ausdruck der Nation angesehen wurden, konnte sich der politischen Freisinnigkeit in der Dichtung nicht entschlagen. Wir haben früher gesehen, daß sich trotz der Mctternich'schen Polizeiherrschast und Geistcs- bedrückung eine Oppositionsliteratur Bahn brach. Auch unter den einheimischen Dichtern wurden einzelne klagende Stimmen laut, die nach Erlösung seufzten von dem ehernen Joche des Despotismus und der Pricstermacht. Diese Stimmen waren um so ergreifender und wirksamer, als sie mit Haltung und Würde einem strengen, jede freie Aeuhcrung beargwöhnenden Regicrungssystem cntgcgentraten und dem empfänglichen Volke Selbstachtung und Gefühl für Menschenwürde einzuflößen suchten. Zedlitz, der Dichter der „Todtenkränze"; Anastasius Grün (Graf von Auersperg), der in seinen „Spaziergängen eines Wiener Poe-Anast. Gnm tcn" und in „Schutt" tiefe Blicke in die trostlose Zeit der Mctternich'schen Ver- ' waltung thun läßt, ohne den Glauben an eine hoffnungsreiche Zukunft zu ver lieren, und stets die Fahne der Freiheit und Idealität hochhaltend; Nicol. Lenau (Niembsch von Strehlcnau), dessen phantasiercicher Geist zuletzt vom Dunkel des Wahnsinns umnachtet war, sind die drei hervorragendsten Gestalten aus dem gesangrcichen Lande Oesterreich. Auch des Letztem Freund, der lyrische Dichter Alexander Graf v. Würtemberg („Lieder des Sturms" u. a.),^^'^' abwechselnd in Stuttgart und Wien lebte und dieselbe Bahn verfolgte, kann E-is-». ^»en bcigezählt werden. In ihren Dichtungen waltet nicht jene politische Zer-