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I. Die poetische Literatur nach Goethe. 457 bekannt gemachten Abhandlungen über die altniedcrländischc Literatur und Sprache seine Anlagen zum Dichter und Sprachforscher. In Breslau als Professor der deut schen Sprache und Literatur angestcllt, erwarb er sich große Verdienste um seine Wis- schaft durch Herausgabe und Bearbeitung älterer Sprachdenkmäler, die er in vielen Bibliotheken durch mühsamen Fleiß auf längeren Reisen ausfindig machte. Bei dieser gelehrten literarischen Thätigkeit fand er indessen doch noch Muße zu poetischen Ar beiten und gab von Zeit zu Zeit Sammlungen von Gedichten und Liedern heraus, die, wenn auch von ungleichem Werth, doch Zcugniß gaben von seinen vielseitigen Talenten und seiner geistigen Regsamkeit. In seinen zum Singen bestimmten Liedern hat er mehr als alle andern Dichter den frischen Ton und raschen, lebendigen Gang des alten Volksliedes zu treffen gewußt. Beurkundeten auch viele von diesen des Verfassers Frei muth und liberale Gesinnung, so hielt er sich doch in den Schranken der Mäßigung; dies geschah aber weniger in seinen um 1840 und l84l herauSgcgcbcncn „Unpoliti schen Liedern", in denen Manches enthalten war, was dem bestehenden Rcgicrungs- Utem gefährlich schien, weshalb er seiner Professur enthoben wurde. Dies war der Wendepunkt seines Lebens. Von dem an irrte er Jahre lang als fahrender Ritter in Deutschland umher und verzehrte sein Talent in fruchtlosem Dcmagogcnwesen. Erst in neuerer Zeit, nachdem er in Weimar bleibenden Aufenthalt gefunden und zu den alt deutschen Studien zurückgekehrt war, schien er die richtige Haltung wieder gewonnen zu haben und lebte schließlich als Bibliothekar zu Corvey bei Höxter, wo er vor Kurzem seine Lebensschicksalc in ausführlicher Breite der Welt dargelcgt hat. Seine Forschungen ruf dem literarischen Felde haben manche treffliche „Findlinge" und „Volkslieder" aus Deutschlands Vergangenheit zu Tage gefördert. Rcinh. Ernst Prutz, geb. 1810 in Stettin, studirte in Halle, wo er sich späterPmp als Anhänger der „Jung-Hcgelschen" Schule an den „Höllischen („Deutschen") Jahr- i^o-i872. büchcrn" betheiligte. Seinen Ruf als Literarhistoriker begründete er durch die werth- volle Schrift „der Göttinger Dichtcrbund" und durch verschiedene Aufsätze in dem von ihm in Verbindung mit mehreren anderen Schriftstellern hcrausgegcbcnen „litcrar-histo- rischen Taschenbuch". Unter seinen poetischen Werken sind seine lyrischen Gedichte, größtentheils politischen Inhalts, von weniger Werth als seine dramatischen, unter welchen letztern seine Trauerspiele „Karl von Bourbon" (eine Art Wallenstein von mehr ritterlicher Natur), „Moritz von Sachsen", „Erich der Baucrnkönig" (mit demokratischen Anklängen und Tendenzen), und vor Allem die „politische Wochenstube", eine satirische Komödie voll Witz und kecker Anspielungen auf Zustände und Personen der Gegenwart, große Anerkennung fanden. Von Jena ausgewiesen, begab er sich 1846 nach Berlin, wo er unter mancherlei polizeilichen Hemmnissen literar-historische Vorlesungen hielt. 2eit 1849 lebte er als Professor der Literaturgeschichte in Halle, bis er 1859 nach Stettin übersiedelte, wo er am 21. Juni 1872 starb. Das unter seiner Leitung crschic- vene „deutsche Museum" sowie sein neuestes Werk „die deutsche Literatur der Gegenwart" geben ein günstiges Zeugniß von seinem kritischen Urthcil wie von seinem ästhetischen "eschmack, und in allen seinen Werken weht der Hauch der Freiheit und Vaterlandsliebe. Franz Dingelstedt, geb. 1814 in Oberheffen, nach vollendeten philologischen ^E-dl Judien Gyinnastailchrcr in Castel, dann in Fulda, trat 1841 nach dem Erscheinen g-b.ism. scharfen „Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters" aus dein Staatsdienst, hielt sch als Correspondent der „Allgemeinen Zeitung" einige Wochen in Wien auf und "vdte sich dann nach Stuttgart, wo er 1843 vom König zum Hofrath und Biblio- ^'ar ernannt ward und sich später mit der Sängerin Jenny Lutzcr vermählte. Jin ^vhre 1850 wurde er als Intendant des Hofthcaters nach München und einige Jahre 'Pater nach Weimar berufen, in welchen Stellungen er eine erfreuliche Thätigkeit ent-