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1. Die poetische Literatur nach Goethe. 455 Ziele mit den »cgirenden Philosophen, welche eine Zeitlang die von Arnold Ruge gegründeten „Hallischen Jahrbücher" 2. 61) zum Organ ihrer schnei denden Polemik machten, bis die sächsische Regierung durch ein Verbot der be drängten Religion und Wissenschaft zu Hülfe kam. Auch Wilhelm Jordan aus Ostpreußen huldigte anfangs dieser Richtung (.Schaum"); aber nach seiner Politischen Thätigkeit im Frankfurter Parlamente und in der Bundcsmarine suchte er andere Wege. („Dciniurgos. Ein Mysterium"). Den größten Ruhm »langte er durch die Ausführungen der „Sigfridsage" und „der Nibelungen". Diesen an Zahl und Talent überlegenen Sängern einer wilden, stürmischen Freiheit und eines revolutionären Umsturzes waren die ruhigeren, besonneneren Dichter, die in der Vaterlandsliebe und in der Eintracht von Fürsten nnd Volk das Heil Deutschlands erblickten und aus dem Boden der Kirche beharrten, nicht gewachsen. Unter den Letzteren war Nicolaus Becker zu Köln der harmloseste und unbedeutendste, so sehr er sich auch durch sein „Rhciulied" die Gunst und dm Dank der Fürsten und einen vorübergehenden Ruhm erworben. Ein früher Tod entzog ihn heftigem politischen Partcikämpfen, die über seine Kräfte ge gangen wären. Mit größern dichterischen Gaben ausgerüstet, betrat Emanuel Geibel aus Lübeck das Feld der loyal-politischen, konservativen Poesie undTUK^ verdiente sich dadurch vom König von Preußen ein Jahrgehalt, das auch Frei ligrath eine Zeitlang genossen, dann aber zurückgewiesen hatte. Seine durch Wohllaut und Formvollendung ausgezeichneten Gedichte („Zcitstimmen"; »Zuniusliedcr") beurkunden ein tiefes poetisches Gcmüth und eine christlich-reli giöse Gesinnung. Mit feinem Verständniß hat er in Verbindung mit Paul Heyse einige ausländische (spanische und französische) Volksdichtungen übertragen. Auch Geibel, der einige Jahre als Hauslehrer in Griechenland verlebte, hatte die Dichtkunst und ein unabhängiges Litcratcnlebcn zu seinen Berufe gewählt, dis er als Professor der Literaturgeschichte an der Universität zu München einen praktischen Wirkungskreis fand, der ihm noch Zeit zu dichterischen Arbeiten ließ .das Drama „Brunhilde"; „Sophonisbe" u. a. Werke). Für die Ungnade, die er bch durch ein Gedicht auf den König von Preußen mit begeisterter Anerkennung der Umgestaltung Deutschlands zuzog, fand er Ersatz in dem neuen Großstaate selbst. Zu den begabtesten und productivsten Dichtern der Gegenwart gehört Paul Heyse, geboren in Berlin, seit 1854 in München lebend, wohin ihnP.^h,-, König Max berufen, oderauf Reisen neue Anregungen und Stoffe suchend. Ursprünglich der klassischen, dann der romanischen Philologie sich widmend, hat sr srühe erkannt, „daß es ihm gebricht an historischem Sinn, der Gewesenes dieweil es da war" und in das wirkliche Leben und in sich selbst blickend, "dn Welt gesagt Ivas er erschaut". Seine Novellen und Erzählungen in ge- l'Uiidener und ungebundener Rede sind eine Lieblingslccture des deutschen Volkes geworden und in vielen Auflagen als „Novellen"; „Neue Novellen"; „Meraner Novellen" u. a. Titeln in das gebildete Publikum gedrungen. Sie, wie auch