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I. Die poetische Literalur nach Goethe. 449 Literatur", bald kritische und satirische Aussätze „die rothe Mütze und die Kapuze") und endlich dramatische Dichtungen. Nach einem wcchselvollcn Wanderleben ließ sich Gutzkow in Dresden nieder, von wo er später als Sccrctär der Schillcrstiftung nach Weimar übersiedelte. Zn einem Anfall von Scelcnstörung und geistiger Ueberreizung machte er im Jahr 1864 einen Selbstmordversuch, in Folge besten er zu ärztlicher Behandlung aus einige Zeit in die Heilanstalt von St. Gilgcnberg bei Bayreuth gebracht wurde, uw er bald Genesung fand, so daß er seine schriftstellerische Thätigkcit wieder aufnehmcn konnte i„Hohenschwangau", ein Culturgcmälde aus der Reformationszeit; „die Söhne Pchalozzi's", ein Roman aus der Schulwell; „Lebensbilder"; „die neuen Scrapions- brüder" u. a.). Sein plötzlicher Tod in Sachsenhausen bei Frankfurt a. M. durch ein Brandunglück kurz vor Weihnachten 1878, machte in ganz Deutschland den tiefsten Eindruck. Unter Gutzkow's Romanen möchte „der Zauberer von Rom" der bcdcu- kendste sein. In ihm treten sowohl die Vorzüge des Autors: scharfe Beobachtungs gabe, vielseitige Kenntnisse und ein lebendiges Schildcrungstalcnt als seine Untugenden zu Tage, die besonders in der Unfähigkeit klarer epischer Gestaltung, in der Schwer fälligkeit und Verworrenheit des Stils, in der überreichen Fülle nebeneinander laufen der Semen und Situationen, in einer Häufung von Abenteuern und phantastischen Zügen bestehen. Den Inhalt bilden die Schicksale und Erlebnisse einer armen Schul- ichmstochter, die protestantisch erzogen, aus heimlicher Liebe zu einem jungen cdcl- gchnnten Priester zur katholischen Kirche übertritt und nach tausend Abenteuern, Wech- Wllen und gesellschaftlichen Beziehungen durch einen Brand in Rom ihren Tod findet. Ein Convolut von wunderlichen, zum Theil abenteuerlichen und phantastischen Zebcnsgängcn und Persönlichkeiten, wie ein Rattenkönig in einander verschlungen, bildet ^u Rahmen und die Staffage sür das farbenreiche historische Genrcgemälde, in dem Üch die politischen, kirchlichen und socialen Zustände mehrerer Jahrzehnte, vom üppigen ßnnlichm Gcnußlcbcn am Kasseler Hof unter Jerome Bonaparte und der gcwaltsanicn Abführung des Kölner „Kirchenfürstcn" bis zu den Revolutionsvcrsuchen in Italien vnd dem Papstthum von Pius IX. kaleidoscopisch abspiegcln. Die eigentliche Tendenz ^ Verfassers ist ein lebensvolles concrctcs Bild zu geben von den mannichfaltigen ^icheinungsformcn, in welchen der Katholicismus auftritt, von dem künstlichen Bau römisch-katholischen Kirchcnwesens, wo Ein Tritt tausend Fäden regt, alle Mensch en Kräfte, Triebe, Regungen und Leidenschaften dem großen System des Papst- Mus und der Hierarchie dienen, ein rcichgeglicdcrtcr Organismus von Institutionen Individualitäten Einen Zweck und Wcltplan vcrsolgt, selbst widerstrebende Ele- "rte in den Dienst des Systems gezwungen werden. In dem „Zauberer von Rom" ist ^unsichtbare Zauberkraft und der Genius der römischen Papstkirche personificirt. Mit Menschen, Sehcrblick hat Gutzkow kirchliche Erscheinungen geschildert, die erst der „Cul- ^umpf" vollständig ans Licht gebracht. Weniger gelungen ist der ältere große Roman " 'r Ritter vom Geist", in welchem die politischen Zustände und Zcitfragcn um die Me bez Jahrhunderts die Unterlage bilden. Hier machte der Verfasser von dem "^ineinander" einen so ausgedehnten Gebrauch, daß darüber der innere Pragmatis- und die künstlerische Anlage zu Schaden kamen. Das Buch enthält einen wahren iain E don Personen und Handlungen, die in keinem oder in einem sehr losen Zu- ^.^uhang miteinander stehen, einzelne Partien, die aus den Gang und die Ent- der Geschichte gar keinen Einfluß üben. Alle politischen Doctrincn und Mzm der Zeit haben ihre Vertreter und Bekenner, und bei manchen lasten sich ab fingirten Namen Anklänge an wirkliche Persönlichkeiten erkennen sRadowitz); CHurakterzeichnung der Hauptfiguren ist verschwommen und unklar; die poli- M Parteien und Gehcimbünde, die im Laufe des Romans vorgesührt werden, Weltgeschichte. XV. 29