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I. Die poetische Literatur nach Goethe. 447 Platz unter den schriftstellerischen Notabilitäte» Deutschlands erworben, wendete er seinen Fleiß dein Theater und der dramatischen Poesie zu, einem Felde, das er mit Erfolg bearbeitet hat, wie unnatürlich auch oft sein Haschen nach Effekt und „drastischen Wirkungen" erscheinen mag. Nach den älteren Stücken „Nero", dem Abbitde religionsloser Selbstvcrgöttcrung; „König Saul"; „Werner oder Welt und Herz" folgten „Richard Savage"; „Patkul"; „Zopf und Schwert"; „Urbild des Tarlüffe"; „Uriel Acosta" mit Beziehungen auf die lichtfreundliche Atmosphäre und die religiösen Emancipationsgclüste der Zeil ; „Lenz und Söhne", eine Mosaikarbeit von Scencn gegen Verstand und Sitte aus dein Bereiche der Philanthropie und inneren Mission des Tages; „der Königslieutenant" nach Goethes Dichtung und Wahrheit u. a. m. Diese Werke, sowie seine „Briefe aus Paris", seine an die Fragen und Bestrebungen der Gegenwart angelehntcn Zeitromane, „die Ritter vom Geist" und „der Zauberer von Rom", seine (seit 1863 von Karl Frenzel hcrausgcgcbcne) Wochenschrift „Unterhaltungen am häuslichen Herd" geben Zcugniß von Gntzkow's geistiger Beweglichkeit und rast loser Thätigkeit, so wie von seiner Beobachtungsgabe und von seinem Talent der Erfindung, Charakterzeichnnng und technischen Anordnung, aber auch von einem nicht geringen Selbstgefühl und von einem krankhaften Haschen nach Ruhm und Beifall. Der flachen Zeitrichtung dienend, hat er meistens nur Helden des Tages geschaffen, denen Charakterstärke, Natur und moralische Größe abgcht, lügenhafte Naturen, deren Anlagen mit ihren Aufgaben iin Widerspruch stehen. Alle sind »von der Blässe des Gedankens angekränkelt". Seine Ideale sind Geschöpfe der Reflexion ohne Liebeswärme und Hingebung. Neben Gutzkow sind die bekanntesten Glieder dieses auf verschiedenen Wegen gemeinsame Zwecke verfolgenden Bundes: Theodor Mundt, Gustav Kühne, D«Iischi°nd. Heinrich Laube, Ludolf Wien barg und Andere. Auch Robert Heller, bekannt als Romanschriftsteller und Verfasser der „Brustbilder aus der Pauls- kirche", und Ernst Kossak, „ein witziger und geistvoller Humorist, der den Ernst bes Lebens unter den komischen Widersprüchen desselben wohl aufzufindcn und diese wie jenen poetisch zu verklären weiß", können dieser Richtung beigezählt wer- dkv. Politische und sociale Rcformbestrebungen ohne Klarheit des Ziels, wie sie dein malcontentcn Zcitgciste entsprachen, Emancipation des Fleisches und Befrie digung der Triebe, wie sie dem lüsternen, sinnlichen Geschlecht zusngten, Bckäm- pfung des Christcnthums und christlicher Sitte durch vage philosophische Gebilde vnd erschlaffende Humanitätsidccn, die eine vorlaute Jugend mit Ungestüm Orderte, eine grenzenlose Selbstüberschätzung und der Glaube an eine außcr- ^drntliche Mission in der Culturgcschichte der Menschheit: dies sind die gcmcin- Kennzeichen, „der rothe Faden" der literarischen Produkte dieser mehr oder """der begabten Schriftsteller, dieser „modernen Titanen". Begierig, immer mit »eueu Erzeugnissen vor dem Publicnm zu erscheinen, versuchten sie sich in den verschiedensten Gattungen der belletristischen Literatur. Ihr Streben war bc°