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I. Die poetische Literatur nach Goethe. 445 Dichtung: „Deutschland ein Wintermärchen" erscheinen satirische Schilderungen deutscher Zustände an eine Reise von Paris nach Hamburg angerciht. Verwandt damit ist „Atta Troll ein Soniinernachtslraum", ein Gedicht, das er selbst als das letzte Waldlied der Romantik bezeichnet hat, humoristische Phantasiestückc gegen den „deutschen Michel" gerichtet. Mit dieser Verhöhnung des deutschen Philisterthums ging im Geiste des damaligen kosmopolitischen Radicalismus eine sentimentale Verherrlichung des ersten Napoleon und dec großen Nation Hand in Hand. Von körperlichen Leiden gebrochen, wendete sich Heine zu letzt wieder der Religion zu und schilderte in einem Nachwort zu seinem jüngsten Werke „Romanzcro" die Rückkehr des „verlornen Sohnes, der bei den Hege- lianern die Schweine gehütet", und seine Bekehrung zum Glauben an den per sönlichen Gott, „der Arme zum Helfen habe". Aber „in seinem Munde ver wandelt sich selbst das Gebet in Lästerung". Heine liefert den Beweis, „daß ohne den sittlichen Ernst und die Reinheit der Gesinnung kein umfassendes Werk der Poesie in fleckenloser Vollendung geschaffen werden kann, daß die künstlerische Größe auf der menschliche» ruhen muß, wenn sic das Höchste erreichen soll". Er war „ein Stern in Nebclhüllen, der cs liebte, giftige Dünste aufzuziehen und in ihnen bald seine Strahlen zu bergen, bald siegreich hervorblitzen zu lassen". Ludwig Börne (vor seinem Ucbertritt zur evangelisch-christlichen Kirche 1817 Baruchs wurde am 18. Mai 1786 zu Frankfurt a. M. geboren, bekleidete, nach vollendeten Studien, in seiner Vaterstadt eine Zeitlang das Aint eines Polizciactuars, von dem er jedoch bald enthoben wurde, worauf er sich der Publicistik und freien Schriftstelleret zuwandte. Eine vorübergehende Verhaftung und Anklage wegen Ver breitung demagogischer Flugschriften verlieh seinen Worten größere Bedeutung. Von 18l8 bis 1821 gab er „die Wage, eine Zeitschrift für Bürgcrlcben, Wissenschaft und Kunst" heraus. Nach der Julirevolution nahm er seinen dauernden Wohnsitz in Paris, wo er 1837 starb und auf dem Pere La Chaise begraben liegt. In seiner Zeitschrift «Balance" suchte er deutsches und französisches Wesen zu vermitteln. Börne war mit unter derb und von leidenschaftlicher Heftigkeit und Spottsucht, wie seine letzte Schrift «Menzel der Franzoscnfrcsser" beweist, aber er war ein Mann von Charakter und ohne Frivolität, der nicht, wie H. Heine, das Vaterland init Schmach bedeckte. Unter seinen „gesammelten Schriften" zeichnen sich seine „dramaturgischen Blätter" durch klare und scharfe Kritik, wie durch den hohen sittlichen Standpunkt vortheilhaft aus. „Alles, Ivas er schrieb, war der ganze Mensch, er kannte keine Phrase". — Hcinr. H eine, geb. in Düsseldorf den 12. Dccembcr 1799 von jüdischen Eltern, trat 1825 zur evange- W-christlichen Kirche über, ohne für dieselbe Sympathie zu fühlen oder an ihre Dogmen zu glauben, und lebte, gleich Börne, seit der Julirevolution in Paris. Aus- Müstet mit einer leichten Gabe der Darstellung, hat er eine Menge Gedichte und pro- saischc Schriften belletristischen Inhalts verfaßt und war namentlich ein fruchtbarer Korrespondent der „Allgemeinen Zeitung". Aber ohne Tiefe des Gcmüths wie der s^mntniß, hat Heine in seinen Schriften nur den Schaum des wirklichen Lebens ge- Mpst und dem Leeren und Nichtigen durch künstlerische Composition eine Bedeutung D verleihen gesucht. Der „Romanzcro", ein Cyclus von romanzenartigcn Gedichten mit vielen Beziehungen auf die Gegenwart, vereinigt mit der alten poetischen Genialität und Formgewandthcit frivole Ungezogenheiten und verletzende Ausfälle gegen den Chri-