0. Cultur- und Geistesleben in Deutschland. I. Die poetische Literatur nach Goethe. 1. Stellung der Literatur;u den Zeitrichtungen. Die Literatur und namentlich die Dichtkunst kann sich dem Einfluß Ttndmj-n. Ideen, welche die Zeit durchdringen und beherrschen, nicht entziehen, und^ wird um so mächtiger auf die Zeitgenossen einwirken, je bestimmter und schiedencr sie sich an die herrschenden Ideen anlehnt. Jede Literatur, insW' dere die lyrische Poesie, wird daher stets den Stempel ihrer Zeit an sich trag^ und erst in ihrer historischen Stellung vollkommen verstanden werden könB So drehte sich die mittelalterliche Dichtung um Ritterthum und Minnedienß! im Reformationsjahrhundert und in der nächstfolgenden Periode standen d' Schriftsteller unter religiösen und kirchlichen Einflüssen, und daß die klasD Zeit der deutschen Literatur nicht einen ähnlichen Mittelpunkt aufzuwcisen lag hauptsächlich in dem Mangel großer, wcltbeherrschender Ereignisse und 3dee>s ein Mangel, den der deutsche Geist durch erhabene und mannichfaltige Schöf!' ungen auf dem Gebiete der Phantasie, des Denkvermögens und der Wissens^" auszufüllen bemüht war. — Dies änderte sich, als die französische RevolW und die Napoleonische Militärherrschaft auf kühnen und blutigen Pfaden herschritt und die frühere Zeit mit ihrem gemüthlichen Stillleben und ihren alteten Formen niedertrat. Die europäische Menschheit und vor Allem deutsche Volk wurde aus der Ruhe und gewohnten Lebensweise aufgcrW und zur Betheiligung an den großen weltgeschichtlichen Ereignissen gezwungen Freiheit und Politik traten in den Vordergrund, und der Kampf, der anfm^ gegen den äußern Feind gerichtet war, gestaltete sich nach dem Sieg zum M nungskricg wider die innere Gegenpartei. Die Zeit der heiligen Allianz, der europäischen Menschheit mit dem Frieden auch die alten Zustände in Staat und Leben zurückgcben wollte, begründete in der deutschen Literatur kc^ Periode der Zufriedenheit und Versöhnung, sondern wie in der Politik und^"