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VII. Republik u. Bonapartischer Staatsstreich in Frankr. 437 gegcngeschle» Prinzipien und Bestrebungen in ewigem Kampfe sich bewegen? So trat jetzt wie vor fünfzig Jahren an die Stelle eines in sich zerfallenen republikanisch-parlamentarischen Regiments ein geschloffener militärisch-politi scher Absolutismus, der iin Innern Ruhe und Wohlstand, nach Außen Ruhm und nationales Ansehen in Aussicht stellte, ein demokratischer Imperialismus auf den Prinzipien der Revolution von 1789 aufgebaut. Der dritte Napoleon besaß nicht die Genialität und schöpferische Energie des ersten; aber auch er war ein ungewöhnlicher Mann, der den festen Glauben an den Sieg und an die Wahrheit der Napoleonischen Sache in seiner Seele trug und mit selbstbewußter Folgerichtigkeit an ihrer Verwirklichung arbeitete. Auch in ihm lebte ein Zug von jener geheimnißvollen Zauberkraft des Oheims, der die Menschen überwäl tigte und ihm gehorsam und willfährig machte, auch in seinem schweigsamen, verschlossenen, halb lauernden, halb träumerischen Wesen lag etwas von der dämonischen Gewalt, welche die große Masse des Volks anzog und fesselte, und die den Impulsen des Gcmüths und der Phantasie in unbewußter instinktiver Hingebung folgende Menge mit unwiderstehlicher Macht in ihre Zaubcr- kreise trieb. Ein Historiker der Gegenwart faßt die leitenden Gedanken der „Napoleonischen Ideen", die dem Kaiser in Beziehung auf die innere Regierung Frankreichs als Richt schnur vorschwcbtcn, in folgende Sätze zusammen: Napoleon III. findet den kaiserlichen Absolutismus in jeder Hinsicht gerechtfertigt, denn die französische Gesellschaft sei durch aus demokratisch, von heftigen Parteiungen zerrißen, der politischen Moralität beraubt und ohne Achtung vor irgend Melcher Autorität. Daraus schließt er ein doppeltes: die Regierung muß völlig demokratisch, und sic muß unbedingt stark sein. Sie wird dcmo- kratisch, indem sie die Gleichheit Aller vor dem Gesetze, offene Laufbahn für jedes Ta- ^ut, Freiheit der Arbeit und des Verkehrs verkündigt, keine Vorrechte der Geburt an- "kmnt und die politischen Wahlen dein allgemeinen Stimmrechte anhcimgibt. Sie ist s^rk, indem sie die politische Gewalt in der Hand des einzigen Repräsentanten der ßauzen Nation, des Kaisers, vereinigt, die Rechte der Kammern auf ein bescheidenes Maß zurüeksührt, das Gezänk der Parteien und der Presse verhindert. Der Kirche ^eist der Kaiser alle Ehre und starken Schutz, ohne ihr einen Einfluß auf die Staats- Vmvaltung zu vcrstattcn. Die politische Freiheit ist das hohe, aber freilich noch sehr eutfcrntc Ziel, für welches die kaiserliche Negierung das Volk allmählich hcranzubilden M. Ax wird gjx Krönung des Gebäudes sein, wie cs Napoleon später ausdrücktc: jetzt M cs, durch Herstellung der Autorität und der Eintracht die Fundamente ZU legen. Zur Durchführung dieses Systems bedurfte Napoleon neuer Menschen. Di-smtzcn . parlamentarischen Notabilitätcn der Julircgicrung und die demokratisch- syst-m«. s°slalistjschcn Doctrinäre der zweiten Republik waren dazu weder geeignet noch , Die Regierungsgewalt durfte nicht gehemmt werden durch ein con- ' Rouelles Nebcnrcgimcnt der Volksvertreter oder durch die Unbotmäßigkcit ^^chistjsch^. conspiratorischcr Volkshaufcn und ehrgeiziger Demagogen. "dieStelle der parlamentarischen Berühmtheiten von ehedem, von denen viele ^)rend des Kaiserreichs den vaterländischen Boden meiden mußten, traten