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VII. Republik II. Bonapartischer Staatsstreich in Fraukr. 429 hat, ein geknicktes Staatslcbcn ohne feste und dauerhafte gesetzliche Grundlagen, einen gestörten Wohlstand in Familie und Staatshaushalt. Dabei allcnthalbcu Flüchtlinge, Vcrurthcilte und Gefangene in zahlloser Menge; Anklagen und gerichtliche Verfolgungen ohne Maß und Ende; eine erschreckende Verwilderung der Sitte», ein geschwächtes Ehr- und Pflichtgefühl, Verwirrung und Ver drehung der heiligsten Rcchtslchrcn. Das traurigste Bild dieser Entkräftung und Entartung bietet Frankreich dar, jenes stnrnibcwcgte Land, das vermöge seiner Größe, seiner Lage und seines geschichtlichen und politischen Lebens von jeher einen so mächtigen Einfluß auf die Geschicke der europäischen Staaten geübt hat. Das französische Volk, so lange der Träger und Schöpfer der europäischen Bildung nnd Gesittung, dcsscn erregbare Hauptstadt von ihren Bewunderern so oft die Metropole der Cultur genannt wurde, ist durch die murren Bewegungen und Erschütterungen so sehr aus den Fugen gerückt worden, daß sich der einsichtsvolle und wohlmeinende Theil der Nation zusammcnschaareu mußte, um die ersten Grundlagen der Civi- lisation, Familie, Eigcnthum und persönliche Freiheit, gegen einen verwilderten und entsittlichten Prolctaricrstaud zu vcrtheidigcn; um Güter zu verfechten, die alle Völker, sobald sie sich aus dem Zustand der Wildheit und Barbarei heraus gerungen, außer Frage gestellt haben. Die französische Februarrevolution war nicht das Ergcbniß eines Nationalwillcns, sondern ein glücklich vollführtcr Hand streich der socialistischcn und republikanischen Clubs; aber bei dem Mangel be- stinnnender Persönlichkeiten und ordnender Kräfte griff das Gift des Socialismus immer mehr um sich und durchdrang allmählich den ganzen Staatskörpcr. Die constituirendc Nationalversammlung, obwohl aus allgemeinen Wahlen und unter dem mächtigen Impulse der ersten republikanischen Begeisterung hervorgegangen, zählte nur wenige Social-Republikaner in ihrer Mitte; kräftig und entschieden bekämpfte sie jede neue Schilderhcbung zu Gunsten der „rothcn Republik" und waffnete die Regierung und die Gerichte mit starken Vollmachten, um die Urheber und Theiluehmcr der Aufstände, die socialistischcn Führer und Club- redncr dnrch Verhaftung und Deportation zu beseitigen. Dieses Loos traf mehrere der Fcbrnarheldcn, wie Blanqui, Albert, Barbes, Raspail u. a. m. kraft eines Urthcilssprnches des Staatsgerichtshofes in Bourges. Louis Blanc und Caussidierc entzogen sich der gerichtlichen Verfolgung durch die Flucht nach England. Kriegsstandscrkläruugcn, Gesetze zur Beschränkung und Ucbecwachnng der Presse, der Vereine und Versammlungen, Schärfung polizeilicher Aufsicht u> dgl. waren die Mittel, durch welche die constituircnde Nationalversammlung >n Verbindung mit der republikanischen Regierung die staatliche Ordnung zu erhallen bemüht war. In diesem Geiste setzte sie ihre Arbeiten auch nach der Präsidentenwahl fort. Denn da noch einige „organische" Gesetze der Verfas sungsurkunde bcizufügcn waren, so blieb sie noch einige Monate neben der neuen Regierung, welche Louis Napoleon aus Odilon Barrot, Drouyn de L'Huys,