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VI. Scheitern der deutschen Reform Pläne. Rcaction. 417 den ersten Wochen des Jahres 1850 ein auf freisinnigen Grundlagen beruhendes constilulioiicllcs Staatsgrundgesctz für das Königreich Preußen auf dein Wege der Vereinbarung zwischen Volk und Regierung erzielt und am 6. Februar von«. M,. nuo. dem König in feierlicher Sitzung beschworen wurde. Zugleich erlangte Preußen durch die Erwerbung der Hohcnzollcrn'schcn Stammlonde in Schwaben, die von den Fürsten von Sigmaringen und Hechingen vertragsmäßig abgetreten wurden, eine Erweiterung seines Gebiets. Durch Ertheilung der Landcsvcrsaffnng hatte sich Preußen den übrigen deutschen Staaten genähert und schien daher um so mehr berufen, die Begrün dung des deutschen Bundesstaats zu verwirklichen. Aber je näher die Entschei dung heranrücktc, desto schwieriger wurden die nunmehr wieder erstarkten Regie rungen. Der Einfluß von Oesterreich, das sich zwar mit Preußen zu einer kurzdauernden interimistischen Bundesregierung, die in Frankfurt ihren Sitz nehmen und aus den Händen des Erzherzog-Reichsverwescrs die Befugnisse des alten Bundestages erhalten sollte, vereinigte, das aber natürlich der Bildung eines deutschen Bundesstaates, von dem cs selbst ausgeschlossen sein sollte, sehr abhold war, bereitete der Ausführung des „Drcikönigsvertrags" unüberwindliche Schwierigkeiten. Durch Oesterreichs Einwirkung wurden nicht nur Baiern und Würtembcrg in einer feindseligen Stellung zu Preußen und dem projcctirten Bun desstaat gehalten, sondern auch Sachsen und Hannover zum Abfall von dem Dreiköuigsvertragc bewogen. Als nun die Zeit hcrbcikam, wo nach der Ncbcr- cinkunft von den verbündeten Regierungen die Wahlen zu dem Reichstage in Erfurt, auf welchem der Vcrfassungscntwnrf rcvidirt und endgültig vereinbart werden sollte, anzuordncn waren, so schickten diese beiden Königreiche nicht nur keine Abgeordneten nach Erfurt, sondern Hannover sagte sich auch förmlich von dem Bündnisse des 26. Mai los. Und um die Verwirrung und Ratlosigkeit vollständig zu machen, rückte zuletzt noch Baiern mit einem neuen Bundcsvcr- fassungsentwurs hervor, der, angeblich auch von Hannover, Sachsen und Wür tembcrg gebilligt, sich als „Vicrkönigsbündniß" geltend zu machen suchte, aber das Gepräge der Lcbensunfähigkcit an der Stirne trug und von Hannover gleichfalls verworfen ward. Im Vertrauen auf den Beistand Oesterreichs, welches die süddeutschen Regierungen durch die Aussicht auf Zollvcrträgc und Handelswcgc zu gewinnen suchte, löste dann der König von Würtembcrg die der Mehrheit nach dem akratische Ständevcrsammlung in Stuttgart auf, berief an die Stelle von Römer und Duvcrnoy vormärzliche Staatsmänner in seinen Ministerrath und setzte bei Wiedereröffnung des neuen Landtages so sehr alle Rücksichten bei Seite, daß er in der Thronrede den deutschen Einheitsstaat „das gefährlichste aller Traumbilder", das Bündniß vom 26. Mai einen „künst lichen Sondcrbundsvcrsuch, auf den politischen Selbstmord der Gcsammthcit be rechnet" nannte und gegen Preußen so verletzende Worte sprach, daß die Berliner Regierung sich bewogen fühlte, auf einige Zeit allen diplomatischen Verkehr mit Wkb<r, Wk,lgkschich«l. XV. 27