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IV. Dic deutschen Verfassungskämpfe. 393 mehr die Macht Halle, dein verwegenen Treiben mit Erfolg entgegenzulrelen, der Boden des Staats und Rechts gänzlich untcrwühlt nnd die Saat zu neuen Aufständen ausgcstrcut. Schon im September wagte Gustav Struve, früher Advocat und Journalist in Mannheim, von der Schweiz ans einen neuen Ein fall in Baden. Aber durch Geburt und Erziehung dem Volke entfremdet, fand er für seinen politischen Fanatismus in Marat s Geiste wenig Sympathie, so sehr er sich auch bestrebte, durch seine socialislischcn Lehren die gierige Leiden schaft der Proletarier zu erregen. Von den Landlcutcn selbst verhaftet und ausgeliefcrt, wurde er im Zellcngefängniffe zu Bruchsal eingeschlossen, bis die^g^ Alairevolution ihm die Freiheit brachte. Sein Prozeß vor dem Schwurgerichte in Freiburg enthüllte die bodenlose Rechlsverwirrung, die durch sophistische Reden nnd Zeitungsartikel in dem Volke erzeugt morden war. Unter solchen Umständen fiel cs im Mai 1849 nicht schwer, das auf seiner ganzen Oberfläche gährendc Land aufs Neue iu die Bewegung hineinzureißen. Durch zahlreiche „Volksvereine", an deren Spitze der Advocat Brentano als Obmann stand, und gegen welche die in einigen Städten bestehenden „vaterlän dischen Vereine" mit konservativer Richtung nur ein schwaches Gegengewicht bil deten, wirkten die Demokraten für ihre Sache. Sie verlangten immer drohender die Auflösung der Kammern und dic Einbernsung eines constituircnden Land tags; und als ihrem Begehren nicht willfahrt wurde, erzwangen sie allmählich de» Austritt ihrer Gesinnungsgenossen, um die Kammer beschlußunfähig zn machen, und eröffneten in den radikalen Blättern einen leidenschaftlichen Kampf gegen den Vorstand des Ministeriums „Baptist" Bekk. Ueberzcugt jedoch, daß sie nicht zum Ziele kommen würden, so lange das Militär noch gehorche, orga- msirten sie ein System der schmachvollsten Verführung, um die Soldaten zum Ungehorsam gegen ihre Offiziere zu bewegen. Hierbei kamen ihnen dic Umstände fördernd zu Hülfe. In Folge eines Beschlusses des Frankfurter Parlaments mußte der Militärstand in den Einzelstaaten erhöht werden. Dadurch wurden noch nachträglich viele jnnge Leute cinberufcu, die bereits republikanische Grund sätze eingesogen, von denen manche den Hcckerzug als Freiwillige mitgcmacht und welche die lockende Lehre vernommen hatten, daß man im Kampfe zum „Volk" halten müsse. Mißmuthig ohnedies über ihre Einbernsung, horchten sie leicht auf die Stimme der Verführung. Hatten sie doch gesehen, wie man die beurlaubten Soldaten, die einst gegen Hecker's Freischaaren gekämpft, in der Heimath mit den ärgsten Schmähungen belegte. Nicht minder folgenreich war das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht nnd die Aufhebung des Einstands wesens, wodurch den Unteroffizieren die Möglichkeit entzogen ward, durch Ein stehen für Andere ihr Einkommen zu mehren. Eine beabsichtigte Erhöhung ihrer Löhnung war noch nicht in Vollzug gekommen. Diese Ursachen, verbunden mit den Klagen über rohe Behandlungen von Seiten mancher Offiziere, mit Be stechung durch Freibier, mit lockenden Verheißungen und Aussichten auf Befördc-