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IV. Die deutschen Vcrfassungskämpfe. 389 Sie bestritten der Regierung das Rechr, ihr Mandat, das ihnen vom Volk über trage» worden, cigenmächlig aufzuhebcn. Doch immer mehr überzeugten sie sich, daß sie zwischen den beiden Gewalten, die sich jetzt blutig um die Herrschaft bekämpften, der Revolution und der Rcaction, keine haltbare Stellung cinnch- mcn könnten; sic beschlossen daher nach heftigen inner» Kämpfen ihren frei willigen Austritt. Fünfundscchzig chrenwcrthe Männer, darunter Gagern, Simson (der schon vorher dem Präsidcntcnstuhl entsagt), Dahlmann, Moritz Arndt nnd viele Andere, unterzeichneten am 20. Mai eine AustrittscrklärungAM-, und verließen die Panlskirchc, den Schauplatz ihrer ruhmvollen Wirksamkeit und ihres vaterländischen Strebens. Eine Ansprache an ihre Wähler gab die Grunde dieses Schritts an. Durch den Austritt der Gagern - Dahlmann schen Partei gewann die^Rump,. Linke immer mehr Boden für ihre revolutionären Bestrebungen. Als die Ver- sammlung den Antrag auf Vertagung verwarf, schieden abermals zweiund zwanzig Mitglieder, fast der gesammte „Augsburger Hof". Nun wurde die be schlußfähige Zahl der Stimmen auf Huudcrl herabgesetzt, was eine neue Min derung zur Folge hatte. Eine Ansprache an das deutsche Volk, in der edelsten Fassung, von dem schwäbischen Dichter Uhlaud verfaßt, war der letzte edle Laut aus der Versammlung, war das Schwanenlied des Frankfurter Reichstages. „Aber die poetische Unbestimmtheit des Manifestes gab jeder Mißdeutung Raum; zu gut für eine schlechte Sache, war cs zu schwach, dieselbe zu läutern". Die Verwerfung eines von Welcker u. A. beantragten Zusatzes, welcher die Reichs- Verfassung als das nicht zu überschreitende Ziel der Bewegung hinstellte und jede Einmischung Fremder in die Angelegenheiten Deutschlands zurückwies, ver nichtete den letzten Schein eines vaterländischen Zwecks dieser Bewegung und entführte abermals eine große Zahl von Mitgliedern. Der Rest, von den Män nern der äußersten Linken beherrscht, beschloß nun die Ucbersicdelung nach Stutt gart, um dem Herde der Bewegung näher zu sein uud für ihre revolutionären Bestrebungen in den Demokraten und Anarchisten des Südens einen Rückhalt und eine Streitmacht zu haben. Die hundert und etliche Männer, die am 6. Juni im Saal der Abgeordnetenkammer zu Stuttgart ihre Sitzungen aufs«.Juni. Neue eröffneten, führten noch immer den Namen „constituirende deutsche Natio nalversammlung", aber da nunmehr auch Baiern und andere Regierungen die ihren Staaten angehörigen Mitglieder abbcriefen, so gestaltete sich das „Rumpf parlament" immer mehr zu einem „macht- und autoritätslosen Convent, der den Rest von Würde, welcher an dem Namen der Nationalversammlung haftete, in einigen unglücklichen Aufwiegclungsversuchen verzettelte". Eine „Reichsrcgent- schaft" von fünf Mitgliedern, darunter Naveaux, Vogt, Heinr. Simon, ward ernannt, die badische uud pfälzische Erhebung, deren wir sogleich gedenken werden, gutgeheißcu und gefördert, und um auch das würtembergische Land in die Bewe gung hiueinzuziehen und der Regierung die Macht aus den Händen zu winden,