IV. Die deutschen Versassungskämpfc. 385 bewerkstelligen sei: die Losung war gegeben; wie sollten sich die demokratischen Aufwiegler die günstige Gelegenheit entschlüpfen lassen, unter einer ehrbaren Fahne für die Revolution und die Republik zu wirken? Nie ist noch mit einer edlen Sache ein so schmählicher Mißbrauch getrieben worden; noch nie hat man den Sinn des Volkes mit einem so schändlichen Truggcwcbe umstrickt, noch nie die Begriffe von Wahrheit und Recht so lügenhaft verkehrt und entstellt! — Die ersten Bewegungen zeigten sich in denjenigen Staaten, wo die Regierungen sich der Rcichsvcrfassung widersetzten. In Würtembcrg zwangen die Stände in Verbindung mit dem liberalen Ministerium Römer dcu widerstrebenden König zur unbedingten Anerkennung der Rcichsverfassuug, so schwer cs denselben auch ankam, sich „einem Hohcnzollern" zu unterwerfen. Die Aufregung in dem tief unterwnhlten Lande und die unsichere Gesinnung des Militärs nöthigten ihn zur Nachgiebigkeit; doch erklärte er dabei mit schwäbischer Aufrichtigkeit, daß er nur der Gewalt weiche und wieder zurücktrctcn würde, sobald er die Macht dazu habe. In dem preußischen Rheinland und Westfalen bemächtigten sich die städtischen Behörden der Agitation sür die Rcichsvcrfassung in dcm gesetzlichen Sinne, wie er dem Parlamentsbcschluß zu Grunde lag; wo es, wie in Elber feld und Düsseldorf, zu bewaffneten Anfständcu und Barrikadenkämpfen kam, wirkten noch andere Beweggründe mit. Die gewaltigste Erhebung entstand in Sachsen. Hier waren die bcschrän-D» Aussi-m» kendcn Gesetze und Einrichtungen des alten Polizcistaats frühe den Märzstürmen'" erlegen. Unter dcm Ministerium Braun - Oberländer, in welchem der Leip ziger Professor des Rechts von der Pfordtcn die auswärtigen Angelegenheiten leitete, war eine Reihe neuer Gesetze ins Leben getreten, die allzusehr die sturm- bewegte Zeit ihrer Entstehung beurkundeten. Eine ungezügelte Presse und ein fast unbeschränktes Vereins- und Vcrsammlungsrccht dienten der demokratischen Partei zur Verbreitung ihrer Grundsätze, die sowohl in den volkreichen Gcwerb- ftädten, als bei dein verarmten Bauernstand einen fruchtbaren Boden fanden. Als nun aus Grund eines neuen, auf breitester demokratischer Basis be ruhenden Wahlgesetzes, das sür die erste Kammer einen geringen, für die zweite Kammer gar keinen Eensns fcstsctztc und ein dircctcs Wahlverfahrcn anordnete, eine neue Ständcvcrsammlung cinberufcn wurde, kam durch die Thätigkcit der „Vatcrlandsvcrcinc" ein Landtag zusammen, dcr als Hohn aus das konstitutio nelle Staatswesen gelten konnte und mit Recht als „Repräsentation des souve ränen Unverstandes" bezeichnet ward. Dieser Landtag, dcr sür das Frankfurter Verfassungswerk, so lauge cs noch unvollendet war, ebenso wenig Theilnahme bewiesen wie die sächsische Regierung selbst, stieß nun nach der Verwerfung des selben durch Preußen in die demokratische Lärmtrompete und drang auf An erkennung dcr Rcichsvcrfassung. Die Regierung antwortete mit der Auflösung; »v^xm die Deputationen der Städte und Körperschaften, die dasselbe Verlangen stellten, richteten nicht mehr aus; der König rechtfertigte feinen Widerstand mit Preußens Weber, Weltgeschichte. XV. 25