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IV. Die deutschen Verfassungskämpfe. 377 die Gcnieindcn der Einzelstaatcn, das gcsammte deutsche Volk auf, die Verfassung des deutschen Reiches vom 28. März zur Anerkennung und Geltung zu bringen. 2) Sie bestimmt den (22. Aug. d. I.) als den Tag, an dem der erste Reichstag auf Grund der Verfassung in Frankfurt a. M. zusaimncnzutrctcn hat. 3) Sic bestimmt als den Tag, an welchem im deutschen Reiche die Wahlen für das Volkshaus vorzunchmen sind, den (1. August). 4) Sollte, abgesehen von Deutsch-Oesterreich, einer oder der andere Staat im Reichstage nicht vertreten sein und deshalb eine oder die andere Be stimmung der für ganz Deutschland gegebenen Verfassung nicht ausführbar erscheinen, so erfolgt die Abänderung derselben auf dem in der Verfassung selbst vorgcschricbencn Wege provisorisch bis zu dein Zeitpunkte, wo die Verfassung überall in Wirksamkeit getreten sein wird. Die zwei Drittel der Mitglieder sind dann mit Zugrundelegung derjenigen Staaten, welche zum Volks- und Staatenhause wirklich gewählt haben, zu ermitteln. 5) Sollte insbesondere Preußen im Reichstage nicht vertreten sein und also bis dahin weder ausdrücklich noch thatsüchlich die Verfassung anerkannt haben, so tritt das Oberhaupt desjenigen Staats, welcher unter den im Staatcnhaus vertretenen Staaten die größte Scclcnzahl hat, unter dem Titel eines Rcichsstatthaltcrs in die Rechte und Pflichten eines Reichsobcrhauptcs ein. 6) Sobald aber die Verfassung von Preußen anerkannt ist, geht damit von selbst die Würde des Reichsobcrhauptcs nach Maßgabe der Verfassung auf den zur Zeit der Anerkennung regierenden König von Preußen über. 7) Das Reichsoberhaupt leistet den Cid aus die Verfassung vor der Nationalversammlung und eröffnet sodann den Reichstag. Mit der Eröffnung des Reichstags ist die Nationalversammlung aufgelöst. 8) Die Nationalversammlung ver tagt sich auf unbestimmte Zeit mit Zurücklassung ihres Büreaus und überträgt dem letztem die Besugniß, sie nöthigensalls wieder einzuberufen". Hatte die preußische Regierung gehofft, durch die Ablehnung der Reichs- Verfassung mit der dargcbotenen Kaiserkrone und durch die gleichzeitige Erklä- AEungs. rung, Preußen würde, „um den zerstörenden und revolutionären Bestrebungen nach allen Seiten hin mit Kraft und Energie cntgegenzutreten", solche Maßregeln treffen, „daß den verbündeten Regierungen die etwa gewünschte und erforderliche Hülse rechtzeitig geleistet werden könnte", den Dank der Regierungen zu ver dienen und sie zur freiwilligen Uebertragung der Centralgewalt an Preußen zu bewegen, so erfuhr sie eine bittere Täuschung. Sie konnte bald wahrnehmen, >vie schwer es sei, die Regierungen, die nicht durch patriotische Erhebung, son dern nur durch den mächtigen Impuls des Volkswillens sich den Einheitsbestrc- bungen gefügt hatten, nnn zu einer freiwilligen Uebereinkunst 'zu bringen, die ihre Selbständigkeit und Souveränetät zu beschränken drohte. Es war keine leichte Aufgabe, die Gelegenheit, die man in stolzem Selbstgefühl hatte entrinnen lassen, nun „am kahlen Scheitel wieder einzufangen". Und wie sehr man auch der Kraftentfaltung und Conscquenz des preußischen Ministeriums „der rettenden That" Anerkennung zollen mag, den Vorwurf eigenmächtiger Handlungen, wo durch das Vertrauen des Volks tief erschüttert wurde, kann cs nicht von sich wälzen, und die Leiden und Unglücksfälle, die über viele deutsche Staaten her einbrachen, hatten in der Verwerfung des Verfassungswerkes ihren Ursprung. Sowohl die Centralgewalt, als die deutschen Einzelregierungen widersetzten sich