IV. Die deutschen Verfassungskämpfe. 375 Antrag Ludwig Simon's, die Versammlung solle eine Aufforderung an alle Fürsten zur Anerkennung der Rcchtsgültigkeit der Reichsverfassung ergehen lasten und unter den Zustimmenden den Mächtigsten als Oberhaupt wählen, in dieser Fassung nicht angenommen und damit der erste entscheidende Schritt zum Bruch mit Preußen vermieden; aber durch den von Mathy beantragten nnd von der Versammlung gebilligten Zusatz: „die Regierungen sind zn veranlassen, sich aller Anordnungen zu enthalten, durch welche dem Volke die verfassungsmäßigen und gesetzlichen Mittel, seinen Willen kund zu geben, in diesem entscheidenden Augenblick geschmälert oder entzogen würden, insbesondere von ihrem Rechte, die Ständcversammlungcn zu vertagen oder aufzulösen, keinen Gebrauch zu machen, vielmehr dieselben in Thätigkcit zu setzen oder zu belassen, bis die Reichsvcrfassuug zur Anerkennung gebracht sein wird", gab das Parlament den festen Entschuß zu erkennen, sich zur Durchführung des Vcrfassungswcrks aller gesetzlichen Mittel zu bedienen. Bis zum 14. April hatten bereits achtundzwanzig Regierungen, voran der DnwMng ter Großherzog von Baden, ihren Zutritt zu der Reichsverfassung in Frankfurt erklärt; aber die Königreiche Baiern, Hannover, Sachsen und Würtemberg zögerten mit ihren Beitrittserklärungen, thcils ans confessionellen und particula- ristischen Interessen, theils geleitet von österreichischen Einflüssen; und um nicht durch ihre Stände zu einer Anerkennung gedrängt zu werden, entledigten sic sich derselben durch Vertagungen. Zu einem ähnlichen Verfahren schritt nunmehr auch die preußische Regierung und vergrößerte dadurch den Bruch zwischen Berlin und Frankfurt. Die zweite Kammer hatte nämlich, hauptsächlich bestimmt durch eine klare und überzeugende Rede Vincke's, eine Adresse an die Krone beschlossen, worin die Annahme der Reichsverfassung und Kaiscrwürde als Wunsch der Nation empfohlen wurde. Dieser unter stürmischen Debatten erfolgte Beschluß, sowie die aufgeregten Verhandlungen bei Gelegenheit eines die Aufhebung des über Berlin verhängten Belagerungszustandes bezweckenden Antrags von Wal deck bestimmten das Ministerium, am 27. April die Auflösung der zweiten und^Aprn die Vertagung der ersten Kammer auszusprcchen. Bei der behufs der Durch führung der Reichsverfassung in allen deutschen Landen sich erhebenden Bewe gung wünschte das preußische Ministerium die Hände frei zu haben und nicht durch eine starke Kammcropposition in seinen Handlungen gehindert und gelähmt zu sein. Durch dieses Verfahren im eigenen Lande und durch die gleichzeitigen Bemühungen, die deutschen Regierungen zur Uebertragung der provisorischen Centralgewalt an die Krone Preußen zu vermögen und somit ohne Mitwirkung der Nationalversammlung und ohne unbedingte Anerkennung der Neichsverfas- sung die oberste Leitung der deutschen Angelegenheiten in die Hände zu bekom men, zerriß das Ministerium das letzte Band zwischen Preußen und der Frank furter Paulskirchc. Graf Brandenburg hatte bereits am 21. April durch jenes bedeutungsvolle: „Niemals! Niemals! Niemals!" die Ablehnung der Reichsver-