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306 II. Revolutionsbcwegnngen der Jahre 1848 bis 1 851. gericthen, mit Abstreifung aller nationalen und religiösen Verschiedenheiten und mit dem Wahlsprnch: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! als Standarte. Die Auf stände, die in den meisten Ländern blitzschnell erfolgten, bestärkten diese Schwärmer in ihren Hoffnungen, und eine Propaganda, die in der französischen Weltstadt ihren Sitz und Mittelpunkt hatte, schürte das revolutionäre Feuer und verbrei tete republikanische Ideen mit socialistischcr nnd communislischcr Färbung als Reizmittel für die untern Volksklasscn. Die Ansicht, daß die Revolution ihren Zug durch Europa machen würde, setzte sich in vielen Köpfen fest und trieb sie an, ihr fördernd entgegenzukommen. Die ersten Wirkungen zeigten sich in Deutschland, und zwar an der Grenze, in Baden. Das rege politische Leben, wodurch sich das Großherzogthum schon lange vor den übrigen deutschen Staaten ausgezeichnet, schien ihm das Recht zu geben, mit der Fahne des Fortschritts und der Neugestaltung voranzugehcn. Dringende Petitionen an die gerade ver sammelten Landstände, in stürmischer Weise überbracht, verlangten Preßfreiheit, Schwurgerichte, Bürgerwehr unter freigewählten Führern und ein deutsches Par lament, auf das kurz zuvor in der badischen Kammer durch den Abgeordneten Bassermann ein Antrag gestellt worden war und das dem die Regierungen vertretenden Bundestag als Repräsentation des Volks zur Seite stehen sollte (S. 248). Die badische Regierung gewährte nicht nur diese Punkte, so viel in ihrer Macht stand, sondern erließ auch im Verein mit den Kammern ein Gesetz zur Aufhebung aller Fcudallasten mit künftiger Entschädigung der Betheiligten aus der Staatskasse und entfernte mehrere bei dem Volke unbeliebte Beamten und Hof leute von ihren bisherigen Stellen; unpopuläre Deputirte legten ihre Mandate in die Hände ihrer Wähler nieder und wurden durch andere ersetzt. Das Bei spiel Badens wirkte auf die übrigen deutschen Staaten. Dieselben Forderungen wurden nach nnd nach allenthalben gestellt und gewährt und damit in den ver schiedenen Ländern mannichfache andere verbunden. In Würtemberg, Sachsen und andern Staaten wurden die Häupter der liberalen Opposition in die Mini sterien berufen, und die Zügel der Regierung in ihre Hände gelegt; ständische Mißbräuche wurden abgcschafft, beschränkte Wahlgesetze einer Umänderung un terworfen, der Bundestag im liberalen Sinne umgestaltct. Um mehr Plan und Ordnung in die Bewegung zu bringen und populäre Ausschreitungen zu verhin dern , traten in Folge einer Anregung von Mannheim einundfünfzig deutsche Männer, meistens Führer der liberalen Opposition in den Ständekammern des südlichen und westlichen Deutschlands, in Heidelberg zu einer Berathung zusam men „über die dringendsten Maßregeln für das Vaterland". Sie erließen einen s.Mäiz Aufruf an die deutsche Nation, worin sie eine nach der Volkszahl zu wählende ' Nationalvertretung für dringend nothwendig erklärten und einen Ausschuß von sieben Mitgliedern wählten, darunter Gagern, Welcker, Jtzstein, Römer, um die Sache in Gang zu setzen. Eine größere Versammlung von Landtagsabgeord neten nnd andern politischen Notabilitätcn sollte zu dem Zweck am Ende des