304 L. Rcvolutionsbewegungen der Jahre 1848 bis 1 851. die Todcslvundc durch einen Flintenschuß; sic füllten die Barrikaden mit den Leichnamen ihrer Gegner aus und trugen einzelne Fahnen mit der Inschrift: „Leben durch Arbeit oder Sterben im Kampf!" Entsetzt über die bei dem Auf stande sich kundgcbcndc Verwilderung und Unmcnschlichkeit der nntcru Volksklassc bekleidete die Nationalversammlung den General Cavaignac, den die Voll« zugscommission zurUebcrnahmc des Kriegsministeriums aus Algerien nach Paris gerufen hatte, mit diktatorischer Gewalt. Dieser besiegte mit Linicntruppc» nnd Nationalgardcn die Empörer nach einem viertägigen blutigen Straßcnkampfe, wobei zehn- bis zwölftauscnd Menschen ihren Tod fanden und sieben Generale theils auf dem Platze blieben, theils bald nachher an ihren Wunden starben. Die Führer und Anstifter wurden verhaftet und vor Gericht gestellt; die Ge fangenen zu Tausenden nach den überseeischen Colonien Frankreichs deportirt, Paris auf unbestimmte Zeit in Bclagerungsstand gesetzt, die Nationalwcrkstättcn geschlossen, die Presse strenger überwacht. Dem General Cavaignac sprach die Nationalversammlung den Dank des Vaterlandes aus und ernannte ihn zum Haupt der Vollziehungsgewalt und Cabinctsprüsidcntcn. Lamoriciere wurde Kriegsminister, Changarnier Befehlshaber der Pariser Nationalgardc. Geschützt durch diese Maßregeln, setzte hierauf die Versammlung ihre Berathungen über die neue republikanische Verfassung auf Grund der Volkssouveränctät fort. Das „Recht auf Arbeit" wurde nach heftigen parlamentarischen Käinpfen abgclehnt, nachdem Thiers in eindringlicher Rede die Unausführbarkeit der Sache und die schlimmen Wirkungen eines solchen Prinzips im Staatsgrundgcsetze dargethan, ebenso der Vorschlag einer progressiven Besteuerungsweise. Dagegen wurde das Einkammersystem mit allgemeinem Stimmrecht und direkter in den Kantons- Hauptstädten zu vollziehender Wahl angenommen, da bei den nnsichern politi schen Zuständen eine Conccntration der Staatsgewalt zweckmäßig erschien. An die Spitze sollte ein Präsident treten. Es herrschte große Meinungsverschieden heit, ob derselbe durch die Versammlung oder durch Volksabstimmung ernannt werden sollte. Die conservativen Republikaner waren für die erstere Wahlart; aber Lamartine, von der geheimen Hoffnung getragen, die Vvlksgunst werde ihn selbst auf den hohen Posten erheben, trat für die Volkswahl in die Schranken und bewirkte ihre Annahme, ein für die Zukunft Frankreichs bedeutungsvoller Beschluß. Der Präsident der Republik sollte wie in Nordamerika von der Gc- sammtheit der Nation auf vier Jahre gewählt werden und erst nach Ablauf einer Zwischenzeit von gleicher Dauer wieder gewählt werden dürfen. Ein feierlicher Act mit kirchlicher Weihe auf dem Concordienplatz verkündigte die neue republikanische Aera. DieWahl des Präsidenten sollte am 10. Decembcr vorsich gehen. Gern hätte ^848 Nationalversammlung auch bei der Präsidentenwahl dein General Cavaignac die Stimmenmehrheit verschafft, aber die Nation, geblendet von dem Glanz des kaiserlichen Namens und verlockt durch ein vielversprechendes Manifest des Bewer bers, wählte Louis Napoleon Bonaparte mit einer Stimmenzahl von fast