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I. Weltlage. Socialismus. Religion und Kirche. 15 zipicn der Revolution einen grellen Contrast bildete, daß das goldene Zeitalter, das, wie man gehofft, aus den Ruinen des alten feudalen Regimes aufblühen sollte, sehr fern von der Erfüllung sei. Anstatt der erhofften Glückseligkeit erblickte inan einen Abgrund von Noth und Elend. Die große französische Revolution, nach praktischer Verwirklichung desP^a«mus Grundsatzes der Freiheit und Gleichheit strebend, hatte die Fesseln der Unfrei- ><"'-> heit, welche die frühcrn Geschlechter dem Nicdriggcboruen, Armen und Geringen angelegt, zersprengt und damit die untern, auf Erwerb durch Handarbeit angewie senen Klassen als vollberechtigt den Hähern Ständen zur Seite gestellt. Die Lastträger der menschlichen Gesellschaft, die zu den schweren körperlichen Arbeiten und zu den niederen Geschäften des Lebens nothwcndigcn Mensche», die in den Republiken des Altcrthums rechtlose Sclavcn waren, im Mittelalter theils leib eigene Bauern, theils Gesellen und Knechte ohne politische Rechte, ohne Eigcn- thum, Besitz und persönliche Freiheit, traten nunmehr als gleichberechtigte Staatsbürger ins öffentliche Leben ein, mit den Ansprüchen auf das Recht der Existenz durch Arbeit und auf Gründung einer Familie durch Vcrheirathuug, Ansprüche, die in frühcrn Zeiten unbeachtet geblieben und wesentlichen Beschrän kungen unterworfen waren. Als die Stürme der Revolution vorüber gegan gen , als Ackerbau und Gewcrbflciß wieder aufblühten und mit den Künsten des Friedens Wohlstand, Lebensgenuß und Luxus cingczogen, da zeigten sich bald die Folgen der Auflösung der frühcrn gesellschaftlichcn Bande. Die unbe grenzte Theilbarkcit der Güter und die gleiche Erbberechtigung aller Kinder ver mehrten den Stand der Grundbesitzer ins Unendliche und schufen einen freien Bauernstand von kleinem Grundeigeuthum. Diese anfangs erfreuliche Erschei nung wurde die Quelle unsäglichen Elends. Durch die mit jeder Generation sich mehrenden Thcilungcu wurde der Grundbesitz dermaßen gespalten und ver mindert, daß nur wenige Familien von dem Ertrag leben konnten; aus freie« Bauern wurden daher allmählich Taglöhncr, die viel nachtheiliger gestellt waren, als früher die Leibeigenen, denen der durch Feudalgcsctzc und Pietätsverhältnisse gebundene Gutsherr in den Zeiten der Noth oder bei Krankheiten und Unglücks füllen Hülfe und Unterstützung gewährte, während jetzt der selbständige Tag löhner lediglich auf die eigenen Kräfte angewiesen war und für sein Gütchen und seine Lehmhütte noch beträchtliche Steuern an den Staat zu leisten und zu Ge meindelasten beizutrageu hatte, nicht zu gedenken der Zehnten und Feudalabga ben, die in manchen Ländern noch dazu kamen. Die Noth trieb zum Schulden machen ; fiel der Bauer Wucherern und Juden in die Hände, so war er in we nigen Jahren um sein Eigenthum gebracht; im besten Falle schleppte er sein mühe- und sorgenvolles Leben bis zu einem mäßigen Alter und hinterließ dann eine darbende Familie. Noch schlimmer gestalteten sich die Zustände in den Städten. Die Aufhebung aller beschränkenden Zunft - und Jnnungsvcrhültnissc vermehrte den freien Handwerker- und Gewerbstaud dergestalt, daß eine über-