Volltext Seite (XML)
I. Die Vorboten (Deutschland und die Schweiz). 289 die früheren Verheißungen zurückgewiescn, so beredt der gerechte Anspruch gebildeter Männer auf Preßfreiheit und die andern Güter eines freien Staats wesens dargcthan, daß die Vertreter der Regierung nur einen schwachen Wider stand zu leisten vermochten und die Unhaltbaren des alten Systems jedem unbefangenen Beobachter einleuchtend ward, wenn gleich der König in der Thron rede nochmals feierlich erklärte, daß ihn keine Macht der Erde zur Ertheilung einer papiernen Constitution bringen werde. Zwar siegte des Königs Wille über die Opposition und die vereinigten Stände hatten keinen wesentlichen praktischen Erfolg; desto größer war die moralische Wirkung der Reden und der Verhand lungen auf die Nation, die mit Stolz dem Gang einer Versammlung folgte, wo sich glänzende Nednertalente und eine Fülle von Einsicht und Geist kundgaben. Während die Gebildeten und Wohlhabenden mit gespanntem Interesse dieDUN^'h inneren Kämpfe auf dem Gebiete des Staats und der Kirche verfolgten und mit ängstlicher Bcsorgniß aus die großen Erschütterungen in der Haudclswclt blickten, wo in Folge eines übermäßig gesteigerten Credit- und Wechselwesens eine Reihe von Fallimenten cintrat, die Tausende um Hab und Gut brachten, ertönte in den Hütten das Nothgeschrei der Hungernden, die bei der wachsenden Theucrung der durch zwei unergiebige Jahre verminderten Nahrungsmittel ihre Lebens bedürfnisse nicht genügend befriedigen konnten. Berichte über furchtbaren Man gel, der in Obcrschlesien Hungerseuchcn erzeugt und in vielen Fabrik- und Ge- werbegegendcn irische Nothsccncn hcrvorgebracht habe, riesen, verbunden mit der aufreizenden Prolctacierlitcratur und dem überall herrschenden Elend, eine große Aufregung hervor, die zuletzt in Berlin, Stuttgart, München und andern Städten Aufstände zur Folge hatte. Diese wurden zwar durch Militär und Polizei unterdrückt, und die Mildthätigkeit der Wohlhabenden und ein reicher Erntesegen brachten bald Erlösung aus der augenblicklichen Noth, aber die zu nehmende Verarmung und die große Ungleichheit des Besitzes und der Lebens genüsse kamen dabei zum erstenmal in ihrer vollen Höhe zum Vorschein. Man erblickte einen Abgrund von Jammer und Elend, in dein sich der Proletarier stand befand und aus welchem Verderben über die ganze bürgerliche Gesellschaft drohte, und die Nothwendigkcit einer Abhülfe durch politische und sociale Refor men wurde immer fühlbarer. Was half es, daß jedes Jahr Tausende nach Ame rika führte, wenn nicht durch vereinte Thätigkeit der Regierungen, Gemeinden und Privaten auch den Mittellosen die Möglichkeit einer Ucbersiedclung gegeben und außerdem die Quelle der Verarmung und Entsittlichung verstopft ward! Ein drückendes, ein banges Gefühl des Unbehagens gab sich allenthalben kund, der gegenwärtige Zustand schien auf die Dauer unhaltbar, um so mehr, als es durch die Regierungen dahin gekommen war, daß den mangelhaften politischen Zustän den die meiste, wo nicht alle Schuld au den herrschenden Nothständen bcigcmcssen wurde. Und wie sehr man auch durch Censur und Ueberwachung der Presse solche Ansichten nicdcrzuhalten suchte, sic drangen doch ins Volk und wirkten durch die Weber, Weltgeschichte. XV. 19