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I. Die Vorboten (Italien). 287 die Rcformbcstrebungcn des Papstes, förderte frohen Herzens das Bündniß der nationalen Freiheit mit der Kirche und crtheiltc durch daS „Fnndamental- Statnt" eine freisinnige Verfassung. Da Karl Albert zugleich für die Herstellung 8. einer tüchtigen Armee bedacht war, so betrachtete man in den Reihen der Patrioten Piemont als das „Schwert Italiens" und gründete darauf hochfliegende vater ländische Hoffnungen. Vorsichtig barg Carlo Alberto seine vaterländisch-natio nale Gesinnung in schweigsamer Brust, um bei den Mächtigen keinen Verdacht zu erregen. Aber zu dem Schriftsteller d'Azeglio, einem der thätigstcn Führer und Redner der Patrioten, erschloß er einst seine innersten Gedanken: „Lassen Sie die Männer wissen, daß sie ruhig sein und sich nicht regen mögen, da für jetzt nichts zu thun ist. Aber sic mögen versichert sein, daß sobald sich die Gele genheit bietet, mein Leben, das Leben meiner Söhne, meine Waffen, meine Schätze, mein Heer — Alles für die Sache Italiens geopfert werden wird". Und er hielt Wort. Ehrgeizig und auf seine militärische Geschicklichkeit vertrauend, hoffte der König zum Beherrscher eines einigen und unabhängigen Italiens er hoben zu werden. Herzog Franz V. von Modena, wie sein am 21. Januar M^na^ 1846 gestorbener Vater ein eifriger Verfechter der aus Gott stammenden Für stenrechte und Legitimität, stellte sich durch einen Vertrag zu Schutz und Trutz unter die Macht Oesterreichs und entzog sich im folgenden Jahr dem revolu tionären Geiste seiner Unterthemen durch die Flucht; der Tod der wenig ge-^D«br. liebten und wenig geachteten Maria Luise von Parma, die für ihr großes Schicksal keine Empfänglichkeit gezeigt und in einer zweiten unebenbürtigen Ehe den Kaiser Napoleon und sein vcrhängnißvollcs Geschick vergessen zu haben schien, steigerte die Hoffnungen des italienischen Volks auf nationale Einheit unter ein geborenen Fürsten und auf freiere politische Zustände. Marie Luisens Nach folger, Karl II. Ludwig von Bourbon, der gedrückt von dem Hasse des Volks über das despotische Regiment seines englischen Günstlings Ward sein bisheriges Herzogthum Lucca vertragsmäßig an Toscana abgetreten hatte, förderte durch seinen hartnäckigen Widerstand gegen alle Volkswünsche wider seinen Willen die Zwecke und Bestrebungen der Patrioten. Nur zwei Mächte, eine geistliche und eine weltliche, schienen der Erreichung Di-sgm. dieses Ziels im Wege zu stehen, die Jesuiten und die Oesterreicher. Gegen beide rich- Lmä."" tete sich daher der glühende Haß der Italiener. Evviva's für Gioberti, den Jesni- tenfeind, und „Tod den Deutschen" (leclesolü) gegen Oesterreich, mischten sich in das Jubelgeschrci für Pio nono. Reibungen und Händel zwischen Italienern und Ocsterrcichern in Padua, Mailand und ganz Oberitalien, Verspottungen, Necke reien, höhnende Lieder und Drohworte wider die „Deutschen", Verbindungen zur Enthaltung vom Taback und Lotteriespiel, um die österreichischen Einkünfte zu schmälern, feindselige Demonstrationen und kränkende Uebercinkünfte steigerten die Erbitterung und den Groll der beiden Nationen zu einer solchen Höhe, daß die österreichischen Soldaten in den Städten des lombardisch-vcnetianischen Königreichs