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286 13. Revolutionsbewegungen der Jahre 1 848 bis 1 851. reformatorische Luft, die von Rom aus das Apenninculand durchzog. Sic machte sich zunächst an dem südlichsten Ende der Halbinsel fühlbar, auf Si' cilien, welches unter drohenden Kundgebungen und Aufständen die Constitu tion vom Jahre 1812 (XlV, 390), eigenes Parlament und Autonomie in Verwaltung und Gesetzgebung verlangte, und als König Ferdinand auf dc» Rath der absoluten Mächte die Forderungen abwics, sich von der Herrschaft Neapels lossagte, die Besatzungstruppen von Palermo znm Abzug nöthigtc und das erste Beispiel eines erfolgreichen Befreiungskrieges anfstcllte. Seitdem die gedrückte, verarmte Insel, wo eine aus den verschiedensten Volksstämmcu ge mischte heißblütige Bevölkerung unter den Trümmern antiker Herrlichkeit die Luft der Freiheit einathmetc, die Kette zerriß, die sie mit Neapel zusammengefcs- i"»' s^t, und im Vertrauen auf englische Hülfe die Fahne der Unabhängigkeit auf- pflanzte, ging die revolutionäre Gluth, welche durch die Literatur, durch die geheimen Gesellschaften, durch den europäischen Zeitgeist lange vorbereitet war, durch die gesammte italienische Welt. Als Sicilien mit einem Muth, mit einer Todesverachtung und mit einer Ausdauer, wie sie Niemand von dem so lange geknechteten Volke erwartet hatte, sich von Neapel frei machte und lieber seine reichste Handelsstadt Messina von der unüberwindlichen Citadelle aus bombar- diren ließ, als mit Neapel den angebotenen Vertrag abschloß, der die Verbindung, wenn auch in loserer Form, erhalten hätte, da erzeugte die Bewunderung vor der fremden Tapferkeit auch in Neapel einen Aufstand, in Folge dessen der König den« 2g. I«. drohenden Volke „aus freiem Willen" eine landständische Verfassung nach fran zösischem Vorbild zu gewähren versprach und ein liberales Ministerium berief. T-s^na>md Diesem Beispiele folgten, freiwillig oder gezwungen, Leopold, Groß herzog von Toscana, der ungeachtet seiner österreichischen Abkunft und Ver wandtschaft lange die Liebe und Achtung des Volks besessen und sein gesegnetes Land zu dem glücklichsten in Italien gemacht hatte, und Karl Albert, König von Piemont und Sardinien, der seine frühere Verbindung mit den Liberale» durch strenges Regiment im alten Sinn, durch Theilnahme an dem Feldzüge der Franzosen in Spanien und durch Begünstigung des Jesuitismus und der Reaction bei den Fürsten in Vergessenheit zu bringen gesucht hatte, nun aber durch eine zweite Sinnesänderung im Geiste der Zeit die Zuneigung der italieni schen Völker sich zu gewinnen strebte. Hatte Karl Albert früher die Herzogi» von Berry auf ihrer Agitationsreisc nach der Vendee gegen die liberale Juliregie rung unterstützt (S. 94) und die Freundschaft Metternich's trotz seiner tiefe» inneren Antipathie gegen den übermüthigen Staatskanzler in ostentativer Weift gepflegt, während das ganze Land mit verständlicher Demonstration die Wieder kehr des Tages feierte, an dem vor hundert Jahren Genua die Oesterreicher aus seinen Mauern getrieben (XIU, 48 ff.), und Mazzini, ein Sohn dieser Seestadt, durch die „Giovine Italia-- ein weites Verschwörungsnetz über die ganze Halbinsel schlang: so begrüßte der König von Piemont jetzt mit patriotischer Begeisterung