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280 8. Revolutionsbewegungen der Jahre 1 848 bis 1 85 1. Zusammenstellung der Ereignisse fand der Vers, bei nochmaliger Durchsicht und Prüfung seiner Aufzeichnungen in den auf Deutschland und die deutschen Großstaaten sich beziehenden Ab schnitten wenig zu ändern. In sso fieberhaft erregten Zeitläuften, wo da» öffentliche Lcbm sich mehr als sonst auf Markt und Straße, in Volksversammlungen und parlamentarischen Kämpfen abspielte und trotz der stürmischen Beweglichkeit eine gewisse Einförmigkeit und Gleichartigkeit herrschte, schien dem Universalhistoriker Lie Aufgabe gestellt, in den Wogen deS hinbrausenden Völkerstromes die treibenden Gedanken und Tendenzen zu begreifen, die Ziele zu erforschen, denen der Volksinstinct zustrebte, die späteren Errungenschaften in ihrem Werden zu errathen. Daher wurden die Aufzeichnungen jener Jahre als unmittelbare Eindrücke eines zeitgenössischen Beobachters ohne wesentliche Umarbeitung zum Abdruck gebracht. Dagegen wurden die Abschnitte über die Vorgänge in der Schweiz, in Italien, an Frankreich vielfach verändert und erweitert. Was die Urtheile über einzelne Persönlichkeiten betrifft, so möchte jetzt nach mehr als dreißig Jahren bei objectiverer Betrachtung vielleicht die eine oder andere in einem etwas verschiedenen Lichte erscheinen. Dennoch hat cS der Verfasser vorgezogen, auch in diesem Punkte die alten Eindrücke und Ansichten festzuhalten, sei es auch nur, um jeden Schein einer Sinnesänderung nach der Zeitströmung zu vermeiden. Sie sind der Ausdruck der öffentlichen Meinung jener Tage. Und wenn auch mancher damals hochgefeierte Name in Ler Folge erbleichte oder von dunkeln Schatten überzogen ward, so muß man bedenken, daß in be wegten Zeiten Keiner sich ausschließlich selbst angehört, daß er von der Umgebung und von der Atmosphäre, in der er sich bewegt, gehoben und getragen wird, und daß in solchen Lagen und Verhältnissen der Spruch des Dichters sich bewährt: ES wächst der Mensch mit seinen höher» Zwecken. Unsere Darstellung wird beweisen, daß wir allenthalben nach dem Grundsätze zu handeln suchten: „Niemand zu lieb und Niemand zu leid". I. Die Vorboten. 1. Italien. nW-Äks' Zweimal waren die Versuche der italienischen Patrioten, die apcnninische s-'st. Halbinsel aus der politischen Zerrissenheit und Versumpfung zu retten und zu nationaler Freiheit und Einheit zu erheben, durch innere und äußere Feinde niedergcworfen worden. In allen Gefängnissen schmachteten politische Sträf linge, in allen Ländern Europa's harrten Flüchtlinge und Verbannte auf die Stunde der Erlösung und der Rückkehr in die Heünath; ein Netz von conspira torischen Geheimbünden, mit denen die Exulanten in ununterbrochener Fühlung stauben, zog sich durch das ganze Laud. Ein neuer weitverzweigter Verein, das „junge Italien" genannt, das Werk des Gcunesen Mazzini, nahm die alten Carbonari und die andern patriotischen und freiheitlichen Brüderschaften in seinen Schooß auf. Eine demokratisch-republikanische Propaganda entfaltete eine eifrige Thätigkeit, um für ihre Freiheitsideen Genossen zu werben. Seit dem Abzug der Franzosen und Oesterreicher aus dem Kirchenstaat war besonders das mitt lere und untere Italien, wo die öffentlichen Uebelstände am schreiendsten und die Widerstandskräfte der Regierungen am schwächsten waren, der Schauplatz der agitatorischen Bewegungen. Verschiedene Aufstände wurden in Blut erstickt und