II. Gcschichtsleben in den Einzelstaatcn (Rußland). 269 Stufen und berechnete Entwickelungsphasen zur künftigen Weltherrschaft erscheinen zu lassen. 2. Cultur und Literatur. Kaiser Nicolaus war der Erbe der Rcgicrungsgrundsätze und Herrscher-G-s-hichu>ch- ziele seiner Großmutter Katharina II. und seines Bruders Alexander I. Denn ^2^ wenn er auch an Charakter, Temperament und Ansichten von dem letzteren verschieden war, so hatte er doch mit demselben das Streben genicin, Rußland zu vergrößern und zu einer gebietenden Weltmacht zu erheben. Bei diesem Streben kamen ihm wie dem Vorgänger die politischen Zustande Europa's zu Statten. War Alexander das Hanpt und der Führer der Völkerbewcgung gegen die revolutionäre Machtherrschaft des französischen Imperators, so wurde Nicolaus durch die Zeitverhältnissc wie durch seine Ncberzengung zum Hort der conservativen Prinzipien gegenüber den jüngeren Revolutionen bestimmt. Ein strammer militärischer Mann von beschränkten Gedankenkreisen und einfachen politischen Anschauungen impouirte er dem beweglichen Zeitalter durch die feste unwandelbare Haltung, die er wie ein von Stürmen gepeitschter Fels in den Wogen und Springfluthen der Revolution bewahrte. Die siegreiche Nieder werfung des Dckabristenaufstandcs bei seiner Thronbesteigung hatte ihn mit dein stolzen Selbstgefühl eines triumphircnden Imperators erfüllt; die Will fährigkeit und der stumme Gehorsam der russischen Nation dem gewaltigen Herr scher gegenüber sowie die Huldigungen und Vertrauensbeweise, welche ihm die bedrängten europäischen Fürsten in ihren Nöthen darbrachten, stärkten und stei gerten dieses autokransche Selbstgefühl. Er hielt sich und das russische Volk für das einzige feste Bollwerk, au dem die revolutionäre» Wogen zerschellen mußten, für den herkulischen Helden, der berufen sei die wachsenden Köpfe der Hydra abzuschlagen, ein Glaube der auch im Auslande Geltung fand und dem Zaren ein gebieterisches schiedsrichterliches Ansehen verschaffte, das er nicht selten in schroffster Weise ausübte. Wir habe» gesehen, wie tief das Julikönigthum, wenn auch mit verbissenem Ingrimm, sich vor dem Kaiserhofe an der Newa beugte und selbst Insulte schweigend hinnahm. Wir werden sehen, wie der Zar die alten Herrscherhäuser an der Donau und Spree zugleich schützte und lchr- meisterte, wie er in den preußisch-österreichischen Zerwürfnissen um die Mitte des Jahrhunderts als schiedsrichterlicher Vermittler auftrat. Auch dem zweiten französischen Imperium setzte er sein schroffes legitimistisches Prinzip entgegen; und die Erfahrung, daß in der ncugestalteten politischen Weltordnung seine Machtstellung im Schwinden sei, daß ein Fürsten- und Staatenbund der russi schen Uebermacht entgegentrat, wie einst die heilige Allianz der Napoleonischen Zwingherrschaft, diese Erfahrung senkte den Todeskeim in seine Seele. Es war für den stolzen Selbstherrscher aller Reußen ein unerträglicher Gedanke, daß er, der dreißig Jahre lang im eigenen Reiche die Geister in enge Fesseln