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254 Zwischen zwei Revolutionen. schlechter, die Verwerfung aller edleren, Geist und Herz erhebenden Bildungsmittel eifrig zur Seite. Von der Opposition gegen das Staatssystcm, das sich der besse ren Kreise des Volkes bemächtigte, cnipfing denn auch die Kirche ihren gemessenen und wohlverdienten Antheil. Mit dem alten Oesterreich musste auch die Macht herrschaft des Clcrus untergchen. Nur in Tirol, dem gelobten Lande des Glau bensfanatismus und der harten Unduldsamkeit, feierte damals der Ultramon- tanismus noch einen Triumph, wie in den finstersten Zeiten de« Mittelalters. Den Bauern im Zillerthal, die dem evangelischen Glauben zugefallcn waren, einem tüchtigen loyalen Menschenschlag, wurde die Duldung und Uebung ihrer Religion verweigert und so viele Kränkung und Mißhandlung zugefügt, daß 1M. sie endlich nach dem preußischen Schlesien auswanderten, wo man sie gern willkommen hieß; alle Landesgcsetze waren dabei den Tiroler Clericalcn schnöde geopfert worden. Triumphirend zogen die Jesuiten, die seit dem Jahr 1820 unter dem Namen „Liguorianer" oder „Redcmtoristen" in Oesterreich wieder Aufnahme gefunden, doch aber nicht recht zur Geltung gekommen, unter ihrem Gönner Graf Giovanelli in Tirol ein und übernahmen die Leitung des adeligen Erziehungsinstituts „Theresianum" in Jusbruck. Seitdem wurde das Alpcnland das Asyl des finstersten Ultramontanisinus. 2. Nationale Bewegungen in den österreichischen Nebenländern. Erwacht!» Auch in den früher so harmlosen Landtagen der österreichischen Kronländer, s-sühl. wo das aristokratische Element doch fast allein zum Ausdruck kam, trat an Stelle der stumpfen Ruhe, die unter Franz geherrscht, mehr und mehr Bewegung und Opposition; Reformvorschlägc, die den Männern der alten Schule Grauen be reiteten, drangen aus den Landtagsstuben hervor, und in den mit slavischen Bestandtheilen stark versetzten Provinzen traten immer kühner die nationalen Bestrebungen in den Vordergrund. In Böhmen namentlich zeigten sich, zu nächst literarisch und als gelehrte Spielerei betrachtet, sehr bald aber auch mit gefährlichem politischen Hintergrund, die Ideen des Panslavismus, die an Männern wie dem Geschichtschreiber Palacky, dem Sprachforscher Schafarik, Graf Leo Thun begeisterte Anhänger fanden und von russischer Propaganda genährt wurden. Die Entdeckung der sogenannten Königinhofer Handschrift s1817), einer Sammlung angeblich altczechischer Heldenlieder aus dem drei zehnten Jahrhundert, deren Acchtheit bald stark bestritten wurde, war für die literarisch-politische Nationalitätsbemegung in Böhmen von epochemachender Be deutung. Die nächste praktische Folge dieser Bewegung war die vermehrte Pflege der czechischen Sprache, die von der deutschen fast ganz verdrängt worden war, in politischer Hinsicht aber eine starke Agitation nach Erweiterung der ständi schen Rechte Böhmens, nach administrativer Unabhängigkeit, nach Lockerung des Bandes mit Oesterreich. Die nationalslavische Bewegung, welche die Böhmen